Leitsatz
1. Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden.
2. Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle kann sich entweder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer entsprechenden allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken.
3. Über einen nach Zustellung eines Gerichtsbescheids verspätet gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem BFH ist, wenn die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann, durch Beschluss zu entscheiden (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 22.10.1971, VI R 159/68, BStBl II 1971, 812).
Normenkette
§ 56 Abs. 2, § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO, § 85 Abs. 2 ZPO , * Leitsatz nicht amtlich
Sachverhalt
Der BFH hatte die Revision der Klägerin gegen das Urteil des FG durch Gerichtsbescheid vom 24.04.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Der zurückweisende Gerichtsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 04.07.2007 zugestellt. Am 10.08.2007 erreichte den BFH über die beim FG München abgeholte Sammelpost der ausweislich der Faxeingangsbestätigung dort am 06.08.2007 um 15.36 Uhr eingegangene Faxausdruck des Prozessbevollmächtigten vom 06.08.2007, mittels dessen der Prozessbevollmächtigte die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragte.
Der Vorsitzende des BFH-Senats wies den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 17.08.2007, zugestellt am 18.08.2007, auf die Fristversäumnis und die Möglichkeit hin, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.
Den hiernach am 31.08.2007 gestellten Wiedereinsetzungsantrag begründet der Prozessbevollmächtigte wie folgt:
Ein vorwerfbares Organisationsverschulden liege nicht vor. Die mit der Führung der – in kopierten Auszügen vorgelegten – Fristenkontrollbücher sowie dem Versenden von Faxschreiben betrauten Bürokräfte seien mit den Abläufen vertraut und entsprechend geschult. Die Fristenkontrolle sei organisatorisch gesichert. Er habe deswegen seinerseits darauf vertrauen dürfen, dass seinen Anweisungen gefolgt werde.
In einer beigefügten eidesstattlichen Versicherung bestätigt und erklärt die zuständige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte des Prozessbevollmächtigten die Verfahrensabläufe in der Kanzlei. Sie habe irrtümlich auf der ersten Seite des Schreibens vom 06.08.2007 die vermeintlich richtige Telefax-Nummer des BFH vermerkt. Dass es sich tatsächlich um die Nummer des FG München gehandelt habe, müsse an einem Übertragungsfehler liegen. Offensichtlich habe sie sich durch die Ortsanschrift "München" und die Straße "Ismaninger Straße", in der auch der BFH residiere, sowie durch die Vorwahl von München fehlleiten lassen. Jedenfalls habe sie den Sendebericht nach Übermittlung des Schreibens per Fax mit der darauf angegebenen Nummer nochmals abgeglichen und Entsprechendes im Postausgangsbuch vermerkt.
Entscheidung
Der BFH hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Einzelheiten zur Begründung ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Es handelt sich um die Sache I R 39/04 und das dazu ergangene Urteil vom 24.04.2007 (in diesem Heft S. 36) und in concreto um ein verfahrensrechtliches Nachgeplänkel:
Der BFH hatte in dieser Sache einen zurückweisenden Gerichtsbescheid gem. § 121, § 90a FGO beschlossen. Die Klägerin hatte dagegen § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO mündliche Verhandlung beantragt, dies jedoch verspätet nach Ablauf der Monatsfrist. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte der BFH ab, sodass der Gerichtsbescheid (endgültig) in Urteilskraft erstarkte.
2. Die Fristversäumung beruhte darauf, dass der bevollmächtigte RA und StB am letzten Tag der Frist seinen fristwahrenden Schriftsatz an das FG München gefaxt hatte, nicht jedoch an den BFH. Beide Gerichte befinden sich in München in der Ismaninger Straße. Das FG München hatte mit jenem Streitfall aber nichts zu tun; erstinstanzliches FG war das FG Hamburg.
3. Dazu stellt der BFH in Anlehnung an die einschlägige BGH-Rechtsprechung die folgenden Grundsätze auf:
- Der Anwalt darf die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes im Rahmen einer die Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen.
- Er muss die von dieser verwendete Fax-Nummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen.
- Ein Anwalt ist allerdings grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine ...