Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Auch die Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund geleistet werden, kann als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein (entgegen BMF, Schreiben vom 10.1.2014, IV C 4‐S 2296‐b/07/0003:004, 2014/0023765, BStBl I 2014, 75).
2. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Steuerpflichtige als Eigentümer oder Mieter zur Reinigung und Schneeräumung von öffentlichen Straßen und (Geh-)Wegen verpflichtet ist.
Normenkette
§ 35a Abs. 2 Satz 1 EStG
Sachverhalt
K hatte die Firma X mit der Schneeräumung der in öffentlichem Eigentum stehenden Straßenfront entlang seines von ihm bewohnten Grundstücks beauftragt und X dafür den Rechnungsbetrag (148 EUR) überwiesen. Diesen Betrag machte K als haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a Abs. 2 Satz 1 EStG) geltend. Das FA lehnte ab, weil nach dem dazu ergangenen BMF-Schreiben (BMF, Schreiben vom 15.2.2010, BStBl I 2010, 140) Winterdienst auf öffentlichem Gelände nicht begünstigt sei. Die Klage dagegen war erfolgreich (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.8.2012, 13 K 13287/10, Haufe-Index 3468999, EFG 2013, 51).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Hinweis
Die nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG geförderte, aber gesetzlich nicht weiter definierte "haushaltsnahe Dienstleistung" muss jedenfalls einen Haushaltsbezug aufweisen, eine "Nähe zur Haushaltsführung". Die Rechtsprechung orientiert sich an dem Bild, was gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt wird. Dazu gehört auch der Winterdienst. Aber diese Dienstleistungen müssen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG "in einem Haushalt" des Steuerpflichtigen erbracht werden. Ein Haushalt entfaltet sich typischerweise in einer Wohnung, aber nicht nur dort. Auch der Grund und Boden außerhalb der Wohnung gehört offensichtlich dazu. Das war jedenfalls die Idee des Gesetzgebers, denn er wollte auch Arbeiten "auf dem Grundstück" begünstigen, wie etwa Garten- und Wegebauarbeiten. Derartige Förderungen wären nicht möglich bei Dienstleistungen "in einer Wohnung". Angesichts dessen legt der Lohnsteuersenat – wie auch die überwiegende Literatur – den Begriff "im Haushalt" räumlich-funktional aus und setzt ihn insbesondere nicht gleich mit "in der Wohnung". Der Grundsatz, jeder möge vor seiner eigenen Haustüre kehren, ist also vom räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff gedeckt. Haushalt in diesem Sinne endet nicht an der zivilrechtlichen Eigentumsgrenze des Grundstücks. Die Grenze liegt in den Tätigkeiten, nämlich solchen, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Eine solche "Haushaltsdienlichkeit" wird jedenfalls dann nicht zu verneinen sein, wenn der Haushalt durch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu eben jener Dienstleistung gezwungen ist. Wenn schließlich § 35a EStG der Bekämpfung der Schwarzarbeit dient, ist die Putz- und Haushaltshilfe, die nicht nur in der Wohnung, sondern auch davor, im Hausflur und auf der öffentlichen Straße ihre Tätigkeit verrichtet, typischerweise von diesem Regelungszweck miterfasst; waren es doch gerade solche Tätigkeiten, die wieder steuerehrlich verrichtet und abgerechnet werden sollten. Deshalb weisen Praktiker zu Recht darauf hin, dass allenfalls so zu vermeiden ist, dass der auf dem Grundstück geleistete Winterdienst "mit Rechnung" und der davor geleistete "ohne Rechnung" durchgeführt werden.
Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist also der gesetzliche Wortlaut "im Haushalt" nicht gleichzusetzen mit "in der Wohnung". Deshalb folgte der BFH der Entscheidung des FG, die streitigen Aufwendungen des K für den Winterdienst als haushaltsnahe Dienstleitungen i.S.d. § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG zu erfassen und die Steuerermäßigung zu gewähren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.3.2014 – VI R 55/12