Leitsatz
1. Unter der Zuführung neuen Betriebsvermögens i.S.v. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 ist nur die Zuführung neuen Aktivvermögens zu verstehen. (Bestätigung des Senatsurteils vom 13.8. 1997, I R 89/96, BStBl II 1997, 829).
2. Um neues Betriebsvermögen in diesem Sinn handelt es sich nicht nur dann, wenn das neue Aktivvermögen unter Verrechnung von Zugängen und Abgängen im betragsmäßigen Saldo höher als das ursprüngliche Aktivvermögen ist, vielmehr auch dann, wenn die Neuzuführungen den Bestand des vor der Zuführung vorhandenen Restaktivvermögens übersteigen.
3. Die Übernahme von Bürgschaften und die Einräumung von Sicherheiten für Bankkredite kann der Zuführung neuen Aktivvermögens wirtschaftlich vergleichbar sein.
Normenkette
§ 8 Abs. 4 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie wurde im Jahr 1964 gegründet und betreibt den Im- und Export von Rohgeweben. Zum 1.3.1993 stellte sie ihre Geschäftstätigkeit ein. Ihre Alleingesellschafterin, eine Schweizer AG (L-SA), verkaufte ihre Geschäftsanteile an der Klägerin im Juni 1993 an die A-GmbH zum Kaufpreis von 50 000 DM für den Goodwill, einen Betrag in Höhe des Kapitals der zum 14.6.1993 aufzustellenden Bilanz der Klägerin und 2,5 % des rechtskräftig festgestellten Verlustvortrags, höchstens 350 000 DM.
Die Zwischenbilanz zum 14.6.1993 wies auf der Aktivseite im Wesentlichen nur die Forderung aus einem Liefergeschäft vom 1.6.1993 sowie Forderungen gegen die L-SA i.H.v. 540 909,80 DM aus. Die aus den Verlustübernahmen stammenden Forderung gegen die L-SA trat die Klägerin an die A-GmbH ab. Diese rechnete gegenüber der L-SA mit der Kaufpreisforderung aus den Anteilsverkäufen bis auf einen Restbetrag auf.
Nach dem Gesellschafterwechsel war die Klägerin mit demselben Unternehmensgegenstand tätig. Zur Sicherung der Finanzierung der Wareneinkäufe mittels Akkreditiven leisteten ihre Gesellschafterin und andere verbundene Unternehmen der Unternehmensgruppe den Banken Sicherheiten und übernahmen Bürgschaften.
Das FA ging davon aus, die Klägerin habe ihre Geschäftstätigkeit im Februar/März 1993 eingestellt. Folglich sei die wirtschaftliche Identität zu dem erst durch die neue Gesellschafterin wieder aufgenommenen Geschäftsbetrieb nicht i.S.v. § 8 Abs. 4 KStG 1991 gewahrt. Die dagegengerichtete Klage blieb erfolglos (EFG 2000, 587), wobei das FG in der Gewährung der Bürgschaften und Sicherheiten Vorgänge sah, die der Zuführung neuen Betriebsvermögens i.S.v. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 vergleichbar sei.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil und damit auch die besagte Vergleichbarkeit. Er ging aber noch einen Schritt weiter: Da es auf die rein gegenständliche Zuführung von Aktivvermögen ankomme und nicht darauf, ob per Saldo – unter Berücksichtigung von Passivpositionen – ein "Mehr" an Betriebsvermögen übrig bleibe, handele es sich auch bei Ersatzbeschaffungen von dritter Seite und damit auch eine Forderungsübernahme, wie sie im Streitfall zu beurteilen sei, um neu zugeführtes Betriebsvermögen. Darauf, aus welchen Gründen die Ersatzbeschaffungen erfolgten, komme es nicht an.
Der BFH stützt das Fehlen der erforderlichen wirtschaftlichen Identität also nicht nur auf "ein Bein", wie das FG, sondern auf "zwei Beine". Jedenfalls stelle sich die Situation im Streitfall im Ergebnis als steuerschädlich dar.
Hinweis
Zunächst einmal vorweg: Sehen Sie diese Praxis-Hinweise als Pflicht-Lektüre an und nehmen Sie sich dafür einen Augenblick Zeit! Das Urteil ist für die Frage des Verlustabzugs bei Körperschaften als Grundlagenentscheidung anzusehen.
1. Der Verlustabzug ist hier bekanntlich nur unter höchst eingeschränkten Voraussetzungen möglich, die § 8 Abs. 4 KStG, die sog. Mantelkaufregelung, im Einzelnen aufführt. Erforderlich ist hiernach vor allem die wirtschaftliche Identität zwischen derjenigen Körperschaft, die den Verlust erlitten hat, und derjenigen Körperschaft, die den Abzug begehrt. Nach Maßgabe der Gesetzesfassung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991, die im Urteilsfall noch anzuwenden war, fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität "insbesondere" (= also nur beispielhaft) unter drei Voraussetzungen, nämlich wenn (1) bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als 75 % (nach derzeitiger Gesetzesfassung: 50 %) der Geschäftsanteile übertragen werden, (2) wenn überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und (3) wenn der Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen (nach derzeitiger Gesetzesfassung: fortgeführt oder wieder aufgenommen) wird. Sie fehlt darüber hinaus gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG dann, wenn die Voraussetzungen denjenigen des Satzes 2 vergleichbar sind.
2. Der BFH prüft im Urteilsfall alle diese Voraussetzungen und gelangt zu der Erkenntnis, sie seien sämtlich erfüllt, so dass der Verlustabzug ausscheide. Wichtig für die Praxis sind aber nicht die Besonderheiten, die sich dabei aufgrund der Einzelfallumstände zu der 1. und 3. Voraussetzung des § 8 Abs. 4 KStG ergeben. Wichtig sind vor allem die allgemeingültigen Äußerungen (und "Unter-Merkmale") zur 2. Vorausset...