Leitsatz
Dem Erwerber eines Anteils an einer Personengesellschaft kann die Mitunternehmerstellung bereits vor der zivilrechtlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils zuzurechnen sein. Voraussetzung dafür ist, dass der Erwerber rechtsgeschäftlich eine auf den Erwerb des Gesellschaftsanteils gerichtete, rechtlich geschützte Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative vollständig auf ihn übergegangen sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 22. Juni 2017, IV R 42/13, BFHE 259, 258).
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Alle Kommanditanteile einer GmbH & Co. KG sowie die Anteile an deren Komplementär-GmbH wurden mit notariellem Vertrag vom 13.1.2000 an eine AG veräußert. Der Vertrag sah vor, dass Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises zunächst 75 % der Anteile zum 31.1.2000 übergehen sollten. Die restlichen Anteile von 25 % sollten ein Jahr später gegen Zahlung des Restkaufpreises übergehen. Der gesamte Kaufpreis war aber bereits ab dem 1.2.2000 zu verzinsen. U. a. unter Hinweis darauf traten die Verkäufer ihre Gewinnanteile aus der KG sowie das Gewinnbezugsrecht aus der Komplementär-GmbH ab dem 1.2.2000 bereits vollständig an die AG ab. Zugleich wurde der Gesellschaftsvertrag der KG geändert, wonach das anfallende Ergebnis ab dem 1.2.2000 der AG zustehen und die Verkäufer weder am Gewinn noch Verlust beteiligt sein sollten. Die Verkäufer verpflichteten sich außerdem, ab dem 1.2.2000 in der Gesellschafterversammlung der GmbH nicht gegen die AG zu stimmen. Im Handelsregister wurden im Juli 2000 der Eintritt der AG als weitere Kommanditistin und im März 2001 das Ausscheiden der Altkommanditisten eingetragen.
Das FA stellte im Gewinnfeststellungsbescheid 2000 einen Gewinn aus der Veräußerung der gesamten Mitunternehmeranteile für die Altkommanditisten fest. Diese waren der Auffassung, ihnen sei im Jahr 2000 nur die Veräußerung von 75 % der Anteile zuzurechnen, konnten sich damit aber weder beim FA noch anschließend beim FG durchsetzen (FG Hamburg, Urteil vom 2.2.2015, 6 K 277/12, Haufe-Index 7708572).
Entscheidung
Der BFH wies auch die Revision der Altkommanditisten zurück. Der Übergang des Mitunternehmeranteils könne dem zivilrechtlichen Übergang des Gesellschaftsanteils vorausgehen. Dies richte sich nach den Grundsätzen für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO und erfordere den Übergang von Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative auf den Anteilserwerber. Der Veräußerungsgewinn entstehe dann im Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums. Hier seien durch das Übertragungsgeschäft im Zusammenhang mit der Änderung des Gesellschaftsvertrags bereits im Jahr 2000 Mitunternehmerrisiko und -initiative vollständig auf die Anteilserwerberin übergegangen.
Hinweis
1. Die Entscheidung nimmt zu der Frage Stellung, wann ein Personengesellschaftsanteil einem anderen als dem zivilrechtlichen Gesellschafter steuerlich zuzurechnen ist, und schließt dabei an ein BFH-Urteil aus dem Jahr 2017 an (BFH, Urteil vom 22.6.2017, IV R 42/13, BFH/NV 2018, 265, BFH/PR 2018, 53). Grundsätzlich folgt das Steuerrecht nach § 39 Abs. 1 AO der zivilrechtlichen Eigentumslage. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO enthält aber eine Ausnahme davon, weil ein Wirtschaftsgut einem vom zivilrechtlichen Eigentümer abweichenden wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen ist. Diese Regelung wendet der BFH auch auf die Zurechnung eines Personengesellschaftsanteils an, der ja ertragsteuerlich als Summe der ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens verstanden wird.
2. Die Abweichung vom zivilrechtlichen Eigentum setzt nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO voraus, dass der zivilrechtliche Eigentümer für die gesamte (Rest-)Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts weder auf die Erträge noch die wirtschaftliche Substanzdes Wirtschaftsguts zugreifen kann. Für einen Personengesellschaftsanteil bedeutet dies nichts anderes, als dass ein anderer als der Gesellschafter an dessen Stelle das Mitunternehmerrisiko trägt und die Mitunternehmerinitiative ausüben kann, denn nur so ist ihm der alleinige wirtschaftliche Zugriff auf Substanz und Erträge der Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens in Höhe des dem Gesellschafter zustehenden Anteils möglich. Danach setzt der wirtschaftliche Übergang des Personengesellschaftsanteils auf einen Dritten den vollen Übergang von Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative voraus. Verbleibt noch ein Rest davon beim Gesellschafter, bleibt es bei der Anknüpfung an das Zivilrecht.
3. Während bei der Frage, ob ein Gesellschafter überhaupt eine Mitunternehmerstellung einnimmt, dessen Initiativ- und Vermögensrechte abgewogen werden müssen, ist für den Übergang der bestehenden Mitunternehmerstellung des Gesellschafters auf eine andere Person erforderlich, dass alle dem Gesellschafter zustehenden und für Mitunternehmerrisiko bzw. -initiative m...