Rz. 1
Der Begriff des Vermögens ist zwar nicht allgemein gültig definiert, in der Betriebswirtschaftslehre wird er aber grundsätzlich als Gesamtheit von wirtschaftlichen Gütern, die zu einem Betrieb gehören, interpretiert. Die Zugehörigkeit wirtschaftlicher Güter zu einem Betrieb ist daran gebunden, dass der Betrieb über sie verfügen kann; in diesem Zusammenhang wird unterschieden zwischen freier Verfügungsmacht, die eine uneingeschränkte Herrschaftsmacht über Güter und damit auch über die Möglichkeit der Übertragung von Gütern auf andere Wirtschaftssubjekte gewährt, und betriebsfunktioneller Verfügungsmacht, die auf den Gebrauch beschränkt ist, der im Rahmen der für die Güter maßgebenden Rechtsverhältnisse – z. B. Recht zur Nutzung als Mieter – festgelegt ist. Auch für Zwecke der bilanziellen Darstellung des Vermögens ist eine Auflistung der einzelnen Vermögensgegenstände erforderlich, deren Summe das Vermögen bildet. Die Regelungen des HGB gehen von einem Vermögensbegriff im Sinne des Bruttovermögens und nicht – nach Abzug der Schulden – des Nettovermögens aus. Zwar wird auch nach der Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) grundsätzlich am Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB festgehalten, allerdings wird ein Ausnahmetatbestand geschaffen. Demnach sind nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB solche Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Erfüllung von bestimmten Schulden dienen, mit diesen Schulden zu verrechnen. Dies betrifft auch die zugehörigen Aufwendungen und Erträge aus der Abzinsung und dem zu verrechnenden Vermögen. Diese Verrechnungsmöglichkeit wird jedoch nur gewährt, wenn die betroffenen Vermögensgegenstände dem Zugriff aller Gläubiger entzogen sind und ausschließlich zur Deckung von solchen Schulden dienen, die aus Altersvorsorgeverpflichtungen oder vergleichbaren langfristigen Verpflichtungen herrühren.
Rz. 2
Grundsätzlich ist die Frage nach der Aktivierungsfähigkeit in der Handelsbilanz gleichbedeutend mit der Frage nach dem Vorliegen eines Vermögensgegenstandes, wenn man davon absieht, dass – z. B. bei Rechnungsabgrenzungsposten – auch aktivierungsfähige Sachverhalte gegeben sein können, die keinen Vermögensgegenstand darstellen. Ebenso wenig wie der Begriff der Schuld wird der Begriff des Vermögensgegenstandes gesetzlich umschrieben, weshalb er unter Heranziehung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung interpretiert werden muss. Als grundlegende Merkmale für Vermögensgegenstände sind
- die selbstständige Verkehrsfähigkeit,
- das Vorhandensein eines Vorteils (im Sinne eines Nutzens bzw. wirtschaftlichen Werts, der über den Bilanzstichtag hinausgeht),
- die selbstständige Bewertbarkeit (vor allem abgeleitet aus dem Grundsatz der Einzelbewertung mit dem Erfordernis der Abgrenzbarkeit von anderen Werten und damit zur Erfüllung der Objektivierung, sodass sich eine Begrenzung "auf die vergegenständlichten, konkretisierten Vermögenswerte" ergibt, die ihrerseits "auch einen greifbaren, konkretisierten Wert haben" müssen),
anzusehen. Abweichend von den 3 vorgestellten Merkmalen für das Vorliegen von Vermögensgegenständen differenzieren Baetge/Kirsch/Thiele – insbesondere unter Aufgabe des Kriteriums der selbstständigen Verkehrsfähigkeit – indessen zwischen einer statisch und einer dynamisch geprägten Aktivierungskonzeption: Während innerhalb der statischen Aktivierungskonzeption auf die "selbstständige Verwertbarkeit" abgestellt werde, stütze sich die dynamische Aktivierungskonzeption auf die Merkmale "selbstständige Bewertbarkeit" und "bilanzielle Greifbarkeit".
Rz. 3
Für die Interpretation der selbstständigen Verkehrsfähigkeit existieren verschiedene Auslegungsmöglichkeiten, im Wesentlichen werden aber folgende angeboten:
- Einzelveräußerbarkeit im Sinne selbstständiger Übertragbarkeit, d. h. die Möglichkeit des selbstständigen Auftretens als Gegenstand des Handels- und Rechtsverkehrs.
- Einzelveräußerbarkeit nicht als konkrete, sondern als abstrakte Veräußerbarkeit, mit der Folge, dass die Aktivierung bei Vorliegen eines schuldrechtlichen Veräußerungsverbots ebenso wenig ausgeschlossen ist wie bei Fehlen konkreter Interessenten; als zusätzliches Kriterium wird die selbstständige Bewertbarkeit gefordert, die – abgeleitet aus dem Einzelbewertungsgrundsatz – beinhaltet, dass der Wert von anderen Werten abzugrenzen sein muss. Bei diesem Kriterium, das auch im Sinne der grundsätzlichen Veräußerbarkeit ausgelegt werden kann – "wenn auch mitunter nur im Zusammenhang mit anderen Gütern" –, nähert man sich unwillkürlich der steuerlichen Auslegung der Übertragbarkeit im Zusammenhang mit dem gesamten Betrieb.
- Einzelverwertbarkeit in dem Sinne, dass der betrachtete Vorteil unternehmensextern verwertet werden kann, wobei eine solche Verwertung nicht durch Verkauf, sondern auch durch eine andere betriebsexterne Verwertung, wie z. B. eine entgeltliche Nutzungsüberlassung, möglich ist.
- Während Lamers eine selbstständige Verwertbarkeit zur ...