Leitsatz
Eine Wohnung i.S.d. § 5 Abs. 2 GrStG ist in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines Appartementhauses gegeben, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m² hat.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b, § 5 Abs. 2, § 7 GrStG, § 181 Abs. 9 Satz 4 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Anstalt öffentlichen Rechts, errichtete ein Studentenwohnheim im Erbbaurecht. In dem Wohnheim befinden sich mehrere jeweils 22,10 m² große 1-Zimmer-Appartements mit je einem Wohnraum mit eigener Küchenzeile, Diele und Bad sowie mehrere größere Raumeinheiten, die jeweils aus einem Aufenthaltsraum mit Kücheneinrichtung, zwei Bädern und gesondert abschließbaren Wohnräumen bestehen. Jeder dieser Wohnräume verfügt über eine eigene Klingel und einen Telefon- und Internetanschluss. Die jeweiligen "Zimmer" werden durch die Klägerin vergeben. Das FA stellte für das Studentenwohnheim als Mietwohngrundstück im Wege der Nachfeststellung auf den 1.1.2011 einen im Ertragswertverfahren ermittelten Einheitswert fest. Der Ansicht der Klägerin, das Studentenwohnheim sei von der Grundsteuer befreit, folgte das FA nicht. Einspruch und Klage bleiben erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.2.2014, 3 K 2428/12, Haufe-Index 6703175, EFG 2014, 892).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der BFH hat für die Studenten-Appartements die Merkmale einer Wohnung bejaht.
Hinweis
Das Besprechungsurteil klärt die Voraussetzungen, unter denen Studentenwohnungen von der Grundsteuer befreit sind.
1. Grundsätzlich ist Grundbesitz, der unmittelbar für gemeinnützige Zwecke benutzt wird, von der Grundsteuer befreit. Das gilt allerdings für Grundbesitz, der zugleich Wohnzwecken dient, nur eingeschränkt. Befreit sind z.B. Gemeinschaftsunterkünfte der Bundeswehr oder der Polizei (§ 5 Abs. 1 GrStG). Nach § 5 Abs. 2 GrStG sind hingegen Wohnungen stets steuerpflichtig.
Für Studentenappartements in dem von einem Studentenwerk (Anstalt des öffentlichen Rechts) betriebenen Studentenwohnheim kann es daher zur Grundsteuerbefreiung kommen, wenn die Appartements nicht als Wohnung qualifiziert werden können.
2. Maßgebend ist auch für die Grundsteuer der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff. Die Wohnung muss insbesondere die Führung eines selbstständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen, eine bestimmte Mindestfläche aufweisen und die für die Führung eines selbstständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen (Küche oder zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette) enthalten. Außerdem muss die Wohnung eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang bilden.
Dabei liegt eine Wohnung auch dann vor, wenn sie baulich nicht auf die typischen Bedürfnisse einer Familie zugeschnitten ist oder mehrere Bewohner darin tatsächlich keinen gemeinsamen Haushalt führen.
3. Eine Wohnung in einem Studentenwohnheim (Appartementhaus) liegt vor, wenn sie aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m² hat. Dies entspricht den Anforderungen, unter denen auch abgeschlossene Appartements in Altenheimen oder Altenwohnheimen als Wohnungen zu bewerten sind.
4. Allerdings bestimmt § 181 Abs. 9 Satz 4 BewG, dass das Vorhandensein einer Wohnung eine Wohnfläche von mindestens 23 m² voraussetzt. Diese Regelung gilt jedoch ausschließlich für Zwecke der Erbschaftsteuer, nicht aber für die Einheitsbewertung und damit auch nicht für die Grundsteuer. Fraglich könnte jedoch sein, ob nicht eine Wohnfläche von mindestens 23 m² aufgrund veränderter Wohngepflogenheiten den heute geltenden Mindeststandards für das Führen eines selbstständigen Haushalts in einer Wohnung entspricht. Der BFH hat diese Frage letztlich deshalb verneint, weil dieser Gesichtspunkt allein die Wertverhältnisse – für diese sind bei der Einheitsbewertung diejenigen zum Hauptfeststellungszeitpunkt des 1.1.1964 maßgebend (§ 27 BewG) – betrifft und daher bei Nachfeststellungen des Einheitswerts nicht berücksichtigt werden kann.
5. Letztlich muss daher auch die Frage, ob die Mindestgröße von Studentenwohnungen bei der Grundsteuer einer gesetzlichen Neubestimmung bedarf, im Rahmen der erforderlichen Grundsteuerreform entschieden werden. Der BFH hält zwar die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundbesitzes für verfassungswidrig (vgl. Vorlagebeschluss an das BVerfG v. 22.10.2014, II R 16/13, BFH/NV 2015, 74, BFH/PR 2015, 64). Da aber, so auch im Streitfall, die Finanzverwaltung Einheitswertbescheide gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig erklärt, droht insoweit kein Rechtsverlust.