Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Nach Ansicht des FG Baden-Württemberg haben Wohnungseigentümer die freie Wahl, ob sie Handwerkerleistungen entweder bereits im Jahr der (Nebenkosten-)Vorauszahlung oder im Jahr der Nebenkostenabrechnung geltend machen. Über eine anderslautende Regelung der Finanzverwaltung setzte sich das Gericht hinweg.
Sachverhalt
Die Eigentümerin einer Eigentumswohnung machte in ihrer Einkommensteuererklärung 2006 zunächst keinerlei Angaben zur Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte derartige Kosten aber in 2006 aus den laufenden Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer beglichen. Nachdem die Eigentümerin ihre Hausgeldabrechnung 2006 im Jahr 2009 erhalten hatte, wollte sie die darin anteilig ausgewiesenen Handwerkerlöhne nachträglich im Einkommensteuerbescheid 2006 berücksichtigt wissen. Sie beantragte beim Finanzamt eine Änderung der Steuerfestsetzung aufgrund neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Das Finanzamt lehnte eine Änderung ab und erklärte, dass Wohnungseigentümer angefallene Handwerkerkosten (= einmalige Kosten) erst im Jahr der Genehmigung der Jahresabrechnung abziehen können, vorliegend also erst im Jahr 2009. Das Amt verwies hierzu auf eine entsprechende Weisung des BMF, Schreiben v. 26.10.2007, BStBl 2007 I S. 4, Rz. 33; BMF, Schreiben v. 15.2.2010, BStBl 2010 I S. 140, Rz. 42. Danach können nur Aufwendungen für regelmäßig wiederkehrende Dienstleistungen wie z. B. Treppenhausreinigung, Gartenpflege und Hausmeister wahlweise auch bereits im Jahr der Vorauszahlung abgezogen werden.
Entscheidung
Das FG urteilte, dass das Finanzamt die Handwerkerkosten bereits im Jahr 2006 berücksichtigen muss. Die Regelung des BMF zur zeitlichen Berücksichtigung von einmaligen und laufenden Kosten muss auch hinsichtlich Handwerkerleistungen als Wahlrecht verstanden werden, sodass Wohnungseigentümer auch diese (einmaligen) Kosten entweder im Veranlagungszeitraum der Vorauszahlung oder im Veranlagungszeitraum der Jahresabrechnung geltend machen können.
Eine Änderung aufgrund neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist zudem möglich, da die Wohnungseigentümerin vorliegend kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache trifft. Denn sie hatte bei Ergehen ihres ursprünglichen Steuerbescheids noch keine Kenntnis von Art, Umfang und Höhe der begünstigten Handwerkerleistungen, sodass sie hierzu noch keine Angaben in ihrer Einkommensteuererklärung machen konnte.
Hinweis
Die Urteilsgrundsätze sind auch für Mieter interessant, da die vom FG kritisierte Regelung des BMF ausdrücklich auch für sie gilt (s. BMF, Schreiben v. 15.2.2010, BStBl 2010 I S. 140, Rz. 42, Satz 6).
Der steuerliche Abzug von Handwerkerlöhnen im Jahr der Vorauszahlung kann günstiger sein als der Abzug im Jahr der Abrechnung, wenn der Abzugshöchstbetrag für Handwerkerleistungen (derzeit: 1.200 EUR) beispielsweise durch mehrere gleichzeitig ergehende Jahresabrechnungen überschritten wird.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2012, 11 K 838/10