Für die Optimierung des Purchase-to-Pay-Prozesses ist es hilfreich, vorab mögliche Zielkonflikte zwischen den beteiligten Bereichen zu erkennen. Strategischer Einkauf, Disposition, Produktion, Logistik, Finanzierung und Besteller aus Fachabteilungen, Werken und Niederlassungen wirken gemeinsam mit unterschiedlichen Interessen auf die Purchase-to-Pay-Abläufe für unterschiedliche Materialien und Dienstleistungen ein. Die dabei entstehenden Zielkonflikte basieren oft auf mangelndem Verständnis für den Gesamtprozess.

Präzises Reporting hilft Bewusstsein für WCM zu schaffen

Einkaufsziele sind häufig EBIT-orientiert. Daher werden Zahlungskonditionen – insbesondere Skonto-Konditionen – oft vom Einkauf bei Einkaufsverhandlungen als "letzter Joker" für eine Preisrabattierung genutzt. Da die verursachte Finanzierungskostenbelastung aus verkürzten Kredittagen i. d. R. jedoch in der Finanzabteilung anstatt im Einkaufsbereich berichtet wird, kann durch die fehlende Sichtbarkeit der Auswirkungen kein Bewusstsein für die eingesetzten Kapitalkosten entwickelt werden. Die Vorgabe von angestrebten Standards, die Einrichtung von Autorisierungs-Instanzen bei Ausnahmen sowie ein Reporting, welches die Messung und Visualisierung der Auswirkungen darstellt, können hier helfen.

Interne Abwicklungsdauer vs. extern vereinbarte Zahlungsziele

Der prozessuale Ablauf einer Rechnungsbearbeitung durchläuft mehrere Schritte (Eingang, Verbuchung, Prüfung, Differenzenklärung, Freigabe, Zahlung), die für eine optimale Abwicklung zeitlich und organisatorisch gut abgestimmt und technisch unterstützt sein müssen, da oft sowohl räumliche Distanzen überbrückt als auch unterschiedlichste, aufeinander basierende Aktivitäten ausgeführt werden müssen. Gleichzeitig erfordert die Rechnungsbearbeitung die Einspeisung anderer Prozesse, z. B. die Wareneingangsverbuchung. Da die Prozessbeteiligten jedoch oft jeweils nur kleine Teilschritte ausführen und die Auswirkungen auf den Gesamtablauf nicht kennen, gelten diese Aktivitäten möglicherweise als zweitrangige bzw. unangenehme Administration und werden nicht zeitnah bearbeitet. Dies kann zu konditionsschädigenden Verzögerungen und hohen Ineffizienzen des Gesamtprozesses führen.

Abhilfe kann einerseits durch Einsatz passender Software als auch durch die eindeutige Zuordnung von Aufgaben, Verantwortlichkeiten und entsprechenden Zeitrahmen erfolgen, z. B. über Prozessrichtlinien. Bei Nichteinhaltung sollten außerdem eine aktive Kontrolle und entsprechende Eskalationsmechanismen vorgesehen sein.

Kredittage-­Verlängerung vs. Kostenübernahme

Kostentechnisch belastet die vom Kunden angestrebte Kredittage-Verlängerung die Kalkulation des Lieferanten, der versuchen wird, diese Kosten über ein Einpreisen zurückzugeben. Nur Preiserhöhungen, welche unter den gewonnen Einsparungen in den Finanzierungskosten liegen, sind daher echte Vorteile. Ein entsprechendes Reporting bzw. Kalkulationsmodell, welches alle Verhandlungskomponenten und ihre Auswirkungen sichtbar macht, ist somit die Voraussetzung für eine echte Gewinnrealisierung.

Reduzierung Lieferantenanzahl vs. Abhängigkeiten

Durch die Konsolidierung von Einkaufsvolumen auf weniger Lieferanten wird die eigene Verhandlungsposition gestärkt, da man oft als Abnehmer attraktiver wird und die Preise aufgrund gestiegener Einkaufsvolumina günstiger werden. Umgekehrt muss jedoch darauf geachtet werden, dass keine Abhängigkeit vom Lieferanten entsteht, die nicht nur ein Risiko für die eigene Produktion oder Leistungserbringung darstellt, sondern ggfs. auch einen preislich gegenteiligen Effekt begründet. Hier empfiehlt sich eine ausbalancierte Multi-Sourcing-Strategie.

Verhandlungsfreiheit vs. rechtliche Sicherheit

Ein, im weiteren Sinn, auftretender Zielkonflikt sind rechtliche Rahmenbedingungen der Kunden-Lieferanten-Partnerschaft. In einigen Ländern gibt es z. B. legal fixierte Vorgaben zu Zahlungszielen oder Zahlungsmodi, die somit einer gewünschten Prozessausgestaltung Grenzen setzen.

Für Deutschland gilt relative Verhandlungsfreiheit zwischen Kaufleuten (im Rahmen der neuen EU-Richtlinie zu vereinbarten Zahlungszielen), soweit beide Parteien den Konditionen zustimmen. Umso wichtiger ist es jedoch, gerade diese Zustimmung über die AGBs oder andere Kommunikationen mit dem Geschäftspartner herbeizuführen und festzuhalten, da ansonsten droht, dass man sich als Kunde mit der eigenen Prozessgestaltung zum Zahlungsverhalten nicht nur in eine rechtliche Grauzone begibt, sondern beim Lieferanten auch Unverständnis und Ärger aufgrund mangelnder Information verursacht. Ein gutes Beispiel ist hier der Zahllauf: Nach (derzeitigen) rechtlichen Vorgaben muss der Zahlungseingang beim Lieferanten am Tag der Fälligkeit erfolgen. Nur wenn der Lieferant mit einem anderen Zahlungsintervall, z. B. einem in den AGBs verankerten 14-tägigen Zahllauf, einverstanden ist, sind beide Geschäftspartner ausreichend abgesichert.

Vereinbarte Prozessabläufe und Konditionen sind somit zu kommunizieren, zu bestätigen und...

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