Die betriebliche Praxis zeigt, dass viele Projekte zur Verbesserung des Working Capital nicht konsequent, sondern halbherzig zu Ende geführt werden oder allmählich versanden. Nachfolgend wird daher ein praxisbewährter Vorgehensfahrplan mit 6 Phasen für die Reduzierung von Working Capital vorgestellt (s. Abb. 19). Für jede Projektphase sind beispielhaft wesentliche Informationen als Inputs und die Phasenergebnisse als Outputs aufgeführt, wobei jeder Output pro Phase den Input für die nächste Phase bereitet. Weiterhin sind für die einzelnen Phasen typische Werkzeuge aufgeführt, die zum Einsatz kommen sowie durchschnittliche Angaben für den Zeitbedarf.[1]

Abb. 19: 6-Phasen Vorgehensfahrplan zum Working Capital Management[2]

[1] Weiterführende Hinweise zum "Werkzeugkasten" des Working Capital Managements finden sich z. B. bei George u. a., 2005.
[2] Quelle: Klepzig, 2013.

4.2.1 Projektvorbereitung und Kick off

Ausgangspunkt, um ein Working Capital-Projekt zu starten, können primär unternehmensinterne Anlässe (z. B. Ziel der Geschäftsleitung: "Unser Unternehmen muss schlanker werden") oder auch unternehmensexterne Anlässe (z. B. Druck der Hausbank) sein. Weitere Kosten-Nutzen-Überlegungen führen zu der Entscheidung der Geschäftsleitung, ein Working Capital-Projekt zu beginnen.

Benchmarks können eine wesentliche Rolle für das Erkennen von Änderungsnotwendigkeiten im Working Capital Management eines Unternehmens spielen, sind aber auch mit gewisser Distanz zu bewerten, da die zugrunde liegenden Daten in der Regel viele Variablen vorweisen, z. B.:

  • abweichende Geschäftsjahre,
  • unterschiedliche Buchhaltungskonzepte,
  • diversifizierte Produktstrukturen bei Peer-Unternehmen,
  • Sondermodelle wie Factoring, Supplier Finance, etc.

Benchmarks bieten daher zwar eine erste Potenzialindikation, sind jedoch ungefiltert nicht für die Berechnung von Verbesserungszielen zu empfehlen. Aktuelle relevante Kennzahlen zur ersten Eigenpositionierung werden insbesondere von Banken, Verbänden, Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften veröffentlicht. Abb. 20 zeigt ein Beispiel.

Abb. 20: Reichweitenanalyse/Benchmarks für ausgewählte Branchen[1]

Zweckmäßig ist es, den Projektbeginn offiziell mit einer Kick-off-Veranstaltung zu markieren. Beteiligte sind insbesondere das designierte Projektteam und/oder zuarbeitende Prozessbeteiligte. Da ein Working Capital-Projekt funktionsübergreifend ist, sind im Projektablauf Abstimmungen zwischen den Funktionsbereichen notwendig. Nicht selten resultieren daraus (heftige) Interessenskonflikte, die von der Geschäftsleitung entschieden werden müssen. In der Praxis zeigt es sich für den Projekterfolg daher als dringend notwendig, dass die Geschäftsleitung ihre ausdrückliche Projektunterstützung in der ersten wie auch in den weiteren Projektphasen zeigt.

Wesentliches Ergebnis der ersten Phase ist es, die Projektziele soweit wie möglich nach Ort, Zeit und Maßstab zu operationalisieren und die Projektorganisation festzulegen. In der Folge können die Zielbereiche durch Soll-Ist-Vergleiche auf Basis von Benchmarks oder anderen Standards festgelegt werden.

[1] Quelle: HypoVereinsbank, 2012.

4.2.2 Hauptproblemfelder festlegen

Es geht in dieser Phase darum, vermutete Optimierungspotenziale solide zu analysieren, quantifizieren und verifizieren, um damit als Basis die Projektplanung der nächsten Phasen zu konkretisieren, z. B. die Unternehmensabläufe, bei denen sich eine eingehende Untersuchung lohnt, zu bestimmen. Ausgangspunkt sind häufig bereits identifizierte, aktuelle Probleme. Weitere Hinweise kann die Analyse vorhandener Daten (z. B. Bilanz, GuV, Cashflow) liefern. Da diese Daten den tatsächlichen Prozessablauf jeweils nur beschreibend abbilden, ist zu prüfen, wie prozessnah, wie detailliert und wie aktuell diese Beschreibung ist. Weit mehr quantitative Präzision und operative Aussagekraft bietet die sog. Transaktionsdatenanalyse. Sie setzt jedoch Einsicht und Detailverständnis über die praktizierten Geschäftsszenarien und Ablaufvarianten sowie deren systemische Abbildung voraus. In aller Regel sind ergänzende Untersuchungen notwendig, um ausreichende Transparenz über die tatsächlichen Abläufe zu erhalten.

Erfahrungswerte bei Ernst & Young[1] zeigen, dass in Industrieunternehmen regelmäßig ca. 5 % des Umsatzes als Optimierungspotenziale identifiziert werden, von denen in den ersten 12 Monaten nach Projektbeginn ca. 50 % realisiert werden können.

Ein bewährtes Muster für diese Untersuchungen ist:

  • Erfassung der tatsächlichen körperlichen und informationellen Prozesse zum Working Capital Management über bereichsübergreifende Mapping-Workshops. In der Praxis bietet sich hier neben der Beschreibung des "Normal"-Prozesses die Erfassung von "Ausreißern", also ungeplanten Prozessabläufen, nach Störungsintensität und Häufigkeit des Auftretens an. Hilfreich ist hierzu insbesondere der Einsatz gezielter Stichproben (z. B. tatsächliche Durchlaufzeiten von Aufträgen), um schnell zu einer Prozesstransparenz zu gelangen.
  • Auswertung von transaktionalen Daten zur statistischen Auswertung des proze...

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