Die einzelnen Positionen einer Bilanz werden entsprechend den wissenschaftlichen Definitionen zu Bilanzkennzahlen zusammengefasst. Jeder Leser des Jahresabschlusses ist in der Lage dazu. Regelmäßig werden Banken, Lieferanten oder Gesellschafter, also die Leser mit finanziellen Interessen am Unternehmen, Kennzahlen wie Eigenkapitalquote, Verschuldungsgrade oder Cashflow ermitteln.
Veränderungen im Eigen- bzw. Fremdkapital oder im Anlagevermögen entstehen durch strategische Entscheidungen. Das in der Bilanz ausgewiesene Umlaufvermögen sowie die Verbindlichkeiten werden im Tagesgeschäft beeinflusst. Das Umlaufvermögen mit Vorräten und Forderungen bilden saldiert mit den Verbindlichkeiten das Working Capital. In den meisten Unternehmen ist es ausreichend, sich auf die folgende Formel zu konzentrieren:
Working Capital = Vorräte + Forderungen – Verbindlichkeiten |
Die weiteren Positionen spielen keine signifikante Rolle. Das Working Capital ist selbst eine Bilanzkennzahl. Grundsätzlich gilt die Aussage, dass ein niedriger Wert für das im Tagesgeschäft gebundene Kapital vorteilhaft ist. Je weniger Geld in Vorräten oder Forderungen gebunden ist und je mehr Verbindlichkeiten noch nicht bezahlt wurden, desto geringer ist der Finanzbedarf. Wenn in einer Bilanzkennzahl ein Wert wie Vorräte, Forderungen oder Verbindlichkeiten enthalten ist, ist deren Wert auch vom Working Capital abhängig.
Beispiele für solche Kennzahlen:
Anlagenintensität = Anlagevermögen / Gesamtvermögen × 100
mit den Vorräten und den Forderungen im Gesamtvermögen
Liquidität 3. Grades = (liquide Mittel + kurzf. Forderungen + Vorräte) / kurzfr. Verbindlichkeiten × 100
mit Forderungen, Vorräte und Verbindlichkeiten in der Formel
Deckungsgrad III = (Eigenkapital + langfr. Fremdkapital) / (Anlagevermögen + Vorräte) × 100
mit den Vorräten in der Formel
Diese Beeinflussung gilt aber auch für alle Bilanzkennzahlen, die in ihrer Formel die Bilanzsumme verwenden. Denn die Bilanzsumme ist abhängig von der Höhe der einzelnen Bilanzpositionen, die sich auch im Working Capital wiederfinden. Eine solche Kennzahl ist z. B. die Eigenkapitalquote.
EK-Quote = Eigenkapital / Bilanzsumme
Die folgende, stark vereinfachte Bilanz ist die Grundlage für die Berechnung von Working Capital und Eigenkapitalquote:
Aktiva |
Bilanz zum 31.12.20XX |
Passiva |
Anlagevermögen |
2.750.000 |
1.225.000 |
Eigenkapital |
Umlaufvermögen |
|
315.000 |
Rückstellungen |
Vorräte |
1.430.000 |
2.500.000 |
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten |
Forderungen |
950.000 |
1.240.000 |
Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung |
Liquidität |
150.000 |
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|
Bilanzsumme |
5.280.000 |
5.280.000 |
Bilanzsumme |
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Working Capital |
1.140.000 |
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EK-Quote |
23,2 % |
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Das Working Capital beträgt 1,14 Mio. EUR. Die Eigenkapitalquote errechnet sich mit 23,2 % (1,225 Mio. EUR / 5,28 Mio. EUR). Gelingt es, die Vorräte um 0,5 Mio. EUR zu senken und dadurch die Bankverschuldung zurückzufahren, zeigt sich das folgende Bild:
Aktiva |
Bilanz zum 31.12.20XX |
Passiva |
Anlagevermögen |
2.750.000 |
1.225.000 |
Eigenkapital |
Umlaufvermögen |
|
315.000 |
Rückstellungen |
Vorräte |
930.000 |
2.000.000 |
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten |
Forderungen |
950.000 |
1.240.000 |
Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung |
Liquidität |
150.000 |
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Bilanzsumme |
4.780.000 |
4.780.000 |
Bilanzsumme |
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Working Capital |
640.000 |
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EK-Quote |
25,6 % |
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Das Working Capital sinkt, die Eigenkapitalquote steigt. Wird der durch die Senkung der Vorratshöhe freiwerdende Betrag nicht genutzt, um die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten zu reduzieren, können die Anstrengungen wirkungslos bleiben.
Aktiva |
Bilanz zum 31.12.20XX |
Passiva |
Anlagevermögen |
2.750.000 |
1.225.000 |
Eigenkapital |
Umlaufvermögen |
|
315.000 |
Rückstellungen |
Vorräte |
930.000 |
2.500.000 |
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten |
Forderungen |
950.000 |
1.240.000 |
Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung |
Liquidität |
650.000 |
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Bilanzsumme |
5.280.000 |
5.280.000 |
Bilanzsumme |
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Working Capital |
640.000 |
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EK-Quote |
23,2 % |
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Die freiwerdenden finanziellen Mittel werden als Liquidität vorgehalten und nicht für die Reduzierung der Bankverbindlichkeiten genutzt. Das reduziert weder die Bilanzsumme noch verbessert es die Eigenkapitalquote.
Bereits an diesem einfachen Beispiel zeigt sich, dass die Beziehung zwischen Working Capital und den Bilanzkennzahlen differenziert betrachtet werden muss. Es gilt, die Entscheidungen mit Auswirkungen auf Vorräte, Forderungen und Verbindlichkeiten bewusst zu treffen.