Prof. Dr. Stefan Müller, Sarah Müller
Rz. 19
Unter staatlichen Stellen im Sinne der Vorschriften zum (Konzern-)Zahlungsbericht sind nach § 341r Abs. 4 HGB nationale, regionale oder lokale Behörden eines Mitgliedstaats, eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder eines Drittlandes zu verstehen. Ferner sind von diesen Behörden kontrollierte Abteilungen oder Agenturen bzw. von diesen kontrollierte Unternehmen unter staatliche Stellen zu subsumieren. Maßgeblich für die Beurteilung einer möglichen Kontrolle ist das Kriterium des beherrschenden Einflusses im Sinne von § 290 HGB (siehe Rz. 12 ff. zu den Beherrschungskriterien des § 290 HGB).
Rz. 20
Das Nachvollziehen von Beherrschungszusammenhängen zwischen Behörden und von diesen kontrollierten Abteilungen oder Agenturen bzw. von diesen kontrollierten Unternehmen dürfte in der Praxis – insbesondere in Drittländern – grundsätzlich zu erheblichen Problemen führen. Die Verknüpfung mit § 290 HGB zwecks Beurteilung einer etwaigen Beherrschung durch eine staatliche Stelle mutet auf den ersten Blick als logische Vereinfachung an; schließlich ist nicht in Abhängigkeit verschiedener lokaler Vorschriften zu beurteilen. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich dieses Vorgehen jedoch als höchst problematisch bzw. als weitere Verschärfung der Beherrschungseinschätzung. Auf Angaben lokaler Behörden oder aus Jahresabschlüssen zu Beherrschungsverhältnissen kann i. d. R. nicht zurückgegriffen werden, da die lokalen Bilanzierungsvorschriften oft abweichende Kriterien anlegen werden. Insofern ist jede Zahlung respektive jeder Zahlungsempfänger einzeln auf Zuordnung zur Gruppe der staatlichen Stellen im Sinne des § 341r Abs. 4 HGB zu überprüfen. Anders als innerhalb eines Konzerns bestehen gegenüber Behörden, Abteilungen oder Agenturen i. d. R. jedoch keinerlei Auskunftsrechte. Gleiches gilt für Unternehmen, die von Behörden (potenziell) beherrscht werden – insbesondere außerhalb der Europäischen Union, da EU-äquivalente Informationsoffenlegungspflichten häufig nicht oder nur in geringem Umfang existieren. Beispielhaft seien etwa US-amerikanische Unternehmen mit weniger als 500/2.000 Aktionären genannt, für die keine Registrierung bei der Securities and Exchange Commission mit einhergehenden Informationsoffenlegungspflichten erforderlich ist.
Rz. 21
In Konsequenz dürfte die Beurteilung in der Praxis mitunter unmöglich sein oder widerspricht zumindest dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit. Eine Befreiungsvorschrift bei faktisch unmöglicher Beherrschungsermittlung – etwa analog zu jener des § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB – ist nicht gegeben. Unklar ist entsprechend, wie zu verfahren ist, wenn für einen Zahlungsempfänger nicht beurteilt werden kann, ob es sich um eine staatliche Stelle i. S. d. § 341r Abs. 4 HGB handelt. Unserer Einschätzung nach ist im Zweifelsfall eine Aufnahme in den Zahlungsbericht zu empfehlen. Zwar dürfen andere Zahlungen gemäß § 341t Abs. 1 Satz 2 HGB nicht in den Zahlungsbericht aufgenommen werden, die mangelnde Regelung/Präzision der handelsrechtlichen Vorschriften wird man berichtenden Unternehmen aber nicht zur Last legen können. Auch ist die Aufnahme möglicherweise nicht umfasster Zahlungen bei Unsicherheit im Vergleich zum Weglassen möglicherweise berichtspflichtiger Zahlungen vor dem Hintergrund von Sanktionen (Rz. 40 f.) als wenig(er) kritisch zu beurteilen.
Rz. 22
Zumindest betreffend Zahlungen an einen staatlichen Paymaster als Zwischenempfänger von Zahlungen für mehrere staatliche Stellen ist mit § 341t Abs. 2 HGB eine Erleichterung vorgesehen. Demnach ist nur über die staatlichen Stellen zu berichten, an die Zahlungen unmittelbar geleistet wurden. Sofern eine staatliche Stelle Zahlungen für mehrere verschiedene staatliche Stellen einzieht, d. h. als Paymaster fungiert, ist nur über diese bzw. über Zahlungen an diese zu berichten.