Rz. 2
Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Wobei Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Aus der (Grundsatz-)Entscheidung des BGH vom 24.5.2005 geht hervor, "dass eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung gilt und keinen Insolvenzeröffnungsgrund darstellt." Der BGH führt in seiner Entscheidung weiter aus:
"a) Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen 3 Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.
b) Beträgt eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.
c) Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist."
Dieser kurze Zeitraum erstreckt sich somit auf einen Zeitraum von längstens 3 Wochen. Mit anderen Worten: Jede Illiquidität im Sinne einer Unterdeckung der fälligen Verbindlichkeiten (Deckungsgrad < 100 %), die innerhalb der vorstehend genannten Frist wieder behoben wird, ist als bloße Zahlungsstockung zu interpretieren, die insolvenzrechtlich keine Handlungspflicht der Geschäftsführung auslöst. Derartige Liquiditätsengpässe ergeben sich aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit vieler Unternehmen unterschiedlichster Wirtschaftssektoren und müssen im Rahmen der normalen Finanzdispositionen (insbesondere mithilfe von Geschäftskreditlinien) abgefedert bzw. überbrückt werden.
Nach Ansicht des BGH wirkt eine einmal nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit fort, sie kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger wieder aufgenommen werden.
Beträgt die Liquiditätslücke am Ende des 3-Wochen-Zeitraums, den der BGH für die Beseitigung der Liquiditätslücke zubilligt, 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten oder mehr, ist nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumutbar ist. Dieser sich an das Ende des 3-Wochen-Zeitraums anschließende weitere Zeitraum kann in Ausnahmefällen 3 bis u. U. auch bis längstens 6 Monate betragen.
Selbst bei noch länger andauernden Liquiditätslücken, die unterhalb von 10 % liegen und im prospektiven Verlauf keinen Anstieg bzw. keine Verschlechterung der Unternehmenslage erkennen lassen, wird immer noch von einer Zahlungsstockung auszugehen sein. Der dabei zu tolerierende Zeitraum wird nach Literaturmeinung allerdings im Maximum bei weiteren 3 Wochen liegen. Nach Ansicht des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer liegt Zahlungsunfähigkeit und keine Zahlungsstockung vor, wenn eine auch nur geringfügige Liquiditätslücke voraussichtlich nicht innerhalb von 3 Monaten, in Ausnahmefällen längstens 6 Monaten nicht vollständig geschlossen werden kann.
Bei Liquiditätslücken, die oberhalb von 10 % liegen, ist nach Ablauf der 3-Wochen-Frist i. d. R. von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn durch den Schuldner nicht der Beweis geführt werden kann, dass er die Liquiditätslücke höchstwahrscheinlich innerhalb 3 Wochen schließen kann.
Das IDW geht bei dem sich an das Ende des 3-Wochen-Zeitraums anschließenden weiteren Zeitraum in Ausnahmefällen von 3 bis u. U. auch bis längstens 6 Monaten aus.