Rz. 4
Nach § 17 Abs. 1 InsO ist die Zahlungsunfähigkeit allgemeiner Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren. Ist die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens gegeben, muss innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO ein Insolvenzantrag gestellt werden. Eine entsprechende Legaldefinition zur Zahlungsunfähigkeit enthält § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO. Danach ist ein Schuldner dann zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Regelvermutung für eine Zahlungsunfähigkeit gilt dann, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Darüber hinaus darf der Vorstand, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist, keine Zahlungen leisten.
Die Art und Weise der Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit wird durch das Gesetz nicht weitergehend konkretisiert.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO für die Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung zwar voraussetzt, den Begriff der Fälligkeit jedoch nicht näher definiert.
Des Weiteren ist der Frage nachzugehen, ob die Legaldefinition der Zahlungsunfähigkeit so zu verstehen ist ("… die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen …"), dass alle Verbindlichkeiten im Sinne einer Vollumfänglichkeit innerhalb des 3-Wochen-Zeitraums zu bedienen sind. Ein weiterer Problemaspekt zeigt sich bei der Frage nach der noch zu tolerierenden (Fort-)Dauer der aufgetretenen Liquiditätslücke.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nimmt an, "dass regelmäßig Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 v. H. oder mehr beträgt, soweit nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass diese Lücke innerhalb von drei Wochen (fast) vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein solches Zuwarten zuzumuten ist".
Rechtlich zumindest zweifelhaft ist auch die Frage, ob der Eintritt der zahlungsbedingten Insolvenzreife an das objektive Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit gekoppelt ist oder ob neben dem objektiven Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auch die positive Kenntnisnahme (oder böswillige Unkenntnis) des zum Antrag Verpflichteten hinzukommen muss. Die jüngere Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen stellt im Hinblick auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht hingegen auf die Erkennbarkeit der Insolvenzreife des Unternehmens für die Geschäftsführung ab. Das Strafrecht unterstellt, dass die 3-Wochen-Frist mit der Kenntnis des zur Antragstellung verpflichteten Organs beginnt.
Von praktischer Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen positiver Kenntnis und Erkennbarkeit allerdings kaum, da eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens der Geschäftsführung in aller Regel nicht verborgen bleiben kann.
Die praktische Feststellung einer vorliegenden Zahlungsunfähigkeit erfolgt entweder unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO oder durch die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz (Liquiditätsstatus). Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oftmals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte.
Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist eine Zahlungsunfähigkeit in der Regel dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (widerlegliche Vermutung). Dieser Umstand lässt sich in aller Regel anhand der wirtschaftskriminalistischen Indizienlage belegen. Die Feststellung vereinzelter Zahlungen steht einer Zahlungseinstellung auch dann nicht entgegen, wenn es sich um größere Summen handelt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass sich die Nichtzahlung auf den wesentlichen Teil der bestehenden Verbindlichkeiten bezieht.
In seiner Entscheidung vom 7.11.2013 merkt der BGH an: "...die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). Dies ist anzunehmen, wenn der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt."
Kann keine Zahlungseinstellung nachgewiesen werden, ist mithilfe der sog. betriebswirtschaftlichen Methode eine Liquiditätsbilanz aufzustellen.