OFD Magdeburg, Verfügung v. 3.11.2011, S 7300 - 123 - St 244
In seinem Urteil vom 15.7.2010, Rs C-368/09 – Pannon Gép Centrum kft, UR 2010 S. 693) führt der EuGH aus, dass der aufgrund fehlerhafter Angaben in einer Rechnung ursprünglich zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuerabzug erhalten bleibt, wenn die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte (ordnungsgemäße) Rechnung zugeleitet hat.
Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 15.7.2010
Nach den nationalen Regelungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG Grundvoraussetzung für die Gewährung des Vorsteuerabzugs. Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug wird daher verwehrt, wenn die Rechnung einen irgendwie gearteten Formfehler enthält, weil – auch wenn die Rechnung sachlich richtig ist – die materiell-rechtlichen nationalen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug bei einer formell fehlerhaften Rechnung nicht erfüllt sind.
Im Fall von Rechnungsberichtigungen nach § 31 Abs. 5 UStDV kann der Vorsteuerabzug gemäß Abschn. 192 Abs. 5 UStR erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem die Berichtigung erfolgte und diese dem Rechnungsempfänger übermittelt wurde.
Der EuGH hatte bereits mit Urteil vom 29.4.2004, C-152/02 (Terra Baubedarf-Handel GmbH) hinsichtlich des Zeitpunkts der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs entschieden, dass der Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt gewährt werden kann, in dem sowohl die sachlichen als auch die formellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erstmals vorliegen.
Auf Bund-Länder-Ebene sowie in der Fachliteratur (DStR 29/2001 S. 1475 ff. Anmerkungen zum EuGH-Urteil durch Dr. Christoph Wäger, Richter am BFH, München – anders: Wittmann in einer Anmerkung zum BFH-Urteil vom 17.12.2008, XI R 62/07 in der UR 2009 S. 247 ff.) wurde die Auslegung des EuGH-Urteils vom 15.7.2010 kontrovers diskutiert.
Das BMF hat sich mit Schreiben vom 6.9.2010 dahingehend positioniert, dass der EuGH mit Urteil vom 15.7.2010 in der Rechtssache C-368/09 (Pannon Gép Centrum) nicht entschieden hat, dass eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt.
Mit Urteil vom 23.9.2010, 6 K 2089/10 hat das FG Rheinland-Pfalz und mit Urteil vom 22.2.2011, 5 V 5004/11 (UR 2011 S. 505) das FG Berlin-Brandenburg die Auslegung des BMF bestätigt. Trotz des EuGH-Urteils besteht kein Anlass, von den bisherigen Grundsätzen zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei berichtigten Rechnungen abzuweichen.
Etwaige Anträge auf Anwendung des EuGH-Urteils sind unter Hinweis auf die geltenden nationalen Regelungen und auf die bisherige BFH-Rechtsprechung (siehe u.a. BFH vom 1.7.2004, V R 33/01 und vom 24.8.2006, V R 16/05 sowie vom 17.12.2008 und Abschnitt 15.2 Abs. 5 UStAE) abzuweisen. Im Rahmen eines Rechtsbehelfes war unter Hinweis auf das beim BFH unter dem Aktenzeichen V B 94/10 anhängige Verfahren ein Ruhen des Rechtsbehelfsverfahrens i.S. des § 363 Abs. 2 AO möglich.
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz (6 K 2089/10) ist mit Beschluss vom 25.3.2011 (veröffentlicht am 18.7.2011) zurückgewiesen worden.
Unter dem Aktenzeichen XI R 41/10 ist beim BFH erneut ein Verfahren anhängig, in welchem sich dieser mit der Frage der Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung zu beschäftigen hat. Anträgen auf Ruhen des Verfahrens sind unter Hinweis auf dieses anhängige Verfahren gem. § 363 Abs. 2 AO stattzugeben. Da das Niedersächsische Finanzgericht in erster Instanz (Urteil vom 25.10.2010, 5 K 425/08) die allgemeine Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils abgelehnt hat, sind Anträge auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
Über beim Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt anhängige Verfahren zu dieser Thematik bitte ich mich auch weiterhin formlos zu unterrichten.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1