Prof. Dr. Joachim S. Tanski
Rz. 7
Im handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss dominiert der Ansatz vergangenheitsbezogener Werte, wie sich dies vor allem in der Vorschrift über den Regelansatz der historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausdrückt. Auch das Realisationsprinzip und das Vorsichtsprinzip verhindern den Ansatz über den historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegender Zeitwerte auf der Aktivseite der Bilanz.
Rz. 8
Trotzdem finden sich auch im handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss gegenwartsbezogene und zukunftsbezogene Wertansätze. So sind Zeitwerte beispielsweise bei gesunkenen Börsen- oder Marktwerten anzusetzen. Insgesamt ist festzustellen, dass es sich beim Zeitwert um einen Sammelbegriff für – häufig nur leicht – unterschiedliche Wertansätze zu einem bestimmten Tag (Bilanzstichtag, Tag eines Schadenseintritts usw.) handelt. Jedoch können Zeitwerte in einzelnen Fällen auch sehr unterschiedlich zu berechnen sein, wenn beispielsweise bei Hausratversicherungen der Neuwert, aber bei Haftpflichtversicherungen der Wiederbeschaffungswert gemeint ist.
1.2.1 Handelsrechtliche Definition
Rz. 9
vorläufig frei
Rz. 10
Trotz des Fehlens eines generell definierten Zeitwertbegriffs kennt das Handels- und Wirtschaftsrecht eine Reihe von Wertbegriffen, welche unter den betriebswirtschaftlichen Begriff des Zeitwerts einzuordnen sind. Zu den Wichtigsten zählen:
Bei allen vorgenannten Begriffen handelt es sich um gegenwartsbezogene Wertansätze, welche sich eher geringfügig unterscheiden. Ihnen ist gemein, dass sie jeweils nur in einem bestimmten Zeitpunkt (regelmäßig der Bilanzstichtag) gelten. Auch die Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 253 Abs. 1 HGB) können – allerdings nur im Moment der Anschaffung oder Herstellung – als Zeitwert i. w. S. aufgefasst werden. Auch außerhalb gesetzlicher Normen wird der Begriff des Zeitwertes gebraucht, häufig im Zusammenhang mit Entschädigungen für beschädigte oder verlorene Güter.
Rz. 10a
In den handelsrechtlichen Normen zum Jahresabschluss wird eine Legaldefinition nur für den beizulegenden Zeitwert im § 255 Abs. 4 HGB gegeben, die jedoch handelsrechtlich nur als eine von verschiedenen Ausprägung des Zeitwerts (oder Tageswerts) angesehen werden muss. Eine sprachliche Einführung des Zeitwerts erfolgte durch das D-Mark-Bilanzgesetz von 1990. Dort wird der Zeitwert als der im Zeitpunkt der Bewertung beizulegende Wert erwähnt und definiert.
1.2.2 Steuerrechtliche Definitionen
Rz. 11
Ebenso wie dem Handelsrecht ist auch dem Steuerrecht der Begriff des Zeitwerts oder Tageswerts fremd; aber auch im Steuerrecht tauchen entsprechende Bewertungssachverhalte unter anderen Begriffen auf. Der wichtigste Zeitwertbegriff im Steuerrecht ist der gemeine Wert, dessen Definition sich jedoch nicht in den Regelungen zur Steuerbilanz findet, sondern im Bewertungsgesetz. Danach wird der gemeine Wert "durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre". Der gemeine Wert ist inhaltlich identisch mit dem Verkehrswert und stellt einen Veräußerungswert (exit price) dar. Ebenfalls auf dem gemeinen Wert basiert der Liquidationswert. Insbesondere für die Bilanzierung ist der Teilwert von Bedeutung.
Rz. 12
Als weiterer Zeitwert findet sich im Steuerrecht ein unbenannter Wertansatz. Es handelt sich dabei um jenen Wert, welcher aufgrund einer Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG erreicht wird. Dieser Wert ist jedoch regelmäßig identisch mit dem beizulegenden Wert gem. § 253 Abs. 3 und 4 HGB.