Kommentar
Nach den gesetzlichen Bestimmungen muß der Zinsabschlag grundsätzlich auch einbehalten werden, wenn die Beträge bei der Veranlagung zu erstatten sind. Ausnahmen sieht das Gesetz lediglich für die Berücksichtigung der Sparer-Freibeträge vor (Freistellungsauftrag), für Steuerzahler, die voraussichtlich nicht veranlagt werden (NV-Bescheinigung), schließlich für Betriebe, bei denen der Zinsabschlag aufgrund der Art der Geschäfte auf Dauer höher wäre als die festzusetzende Steuer.
Im Urteilsfall hatte eine GmbH jahrelang Verluste erwirtschaftet und deshalb einen hohen Verlustvortrag ausgewiesen. Sie beantragte eine Freistellung vom Zinsabschlag, weil sie aller Voraussicht nach auch dann für mehrere Jahre keine Steuern zu zahlen hätte, wenn sie wieder Gewinne erwirtschaften würde.
Das FA, das FG und der BFH hielten den Antrag für unbegründet. Daß die Zinsabschlagsteuer voraussichtlich zu erstatten sei, beruhe auf den hohen Verlustvorträgen, nicht dagegen auf der Art der Geschäfte der GmbH. Die Voraussetzungen der entsprechenden gesetzlichen Vorschrift ( § 44 a Abs. 5 EStG ) seien deshalb nicht erfüllt. Der Gesetzgeber habe bei dieser Regelung z. B. an Versicherungen gedacht, bei denen wegen der Art der Geschäfte die Zinsabschlagsteuer zum größten Teil zu erstatten sei; diese Unternehmen müßten nämlich ihre Kapitalerträge zum größten Teil an ihre Kunden weitergeben.
Daß der Zinsabschlag einzubehalten sei, auch wenn er später erstattet werden müsse, sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe im Interesse eines einfachen Verwaltungsvollzugs pauschalierende Regelungen treffen dürfen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.12.1995, I R 118/94
Anmerkung: Bei Arbeitnehmern, denen der Zinsabschlag voraussichtlich bei der Veranlagung zu erstatten ist, hat sich der BFH großzügiger gezeigt: Nach einer neueren Entscheidung haben solche Arbeitnehmer aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Anspruch darauf, daß ihnen ein entsprechender Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen wird ( Lohnsteuerfreibetrag/Lohnsteuerermäßigung ). Danach erscheint es nicht mehr ausgeschlossen, daß entgegen der vorstehenden Entscheidung in Fällen eines hohen Verlustvortrags doch eine verfassungsrechtliche Verpflichtung für die Finanzämter angenommen wird, dem Steuerpflichtigen eine Art Freistellungsbescheid für den Zinsabschlag zu erteilen, weil ihm andernfalls ohne sachliche Rechtfertigung erhebliche Zinsnachteile zugemutet werden ( Verluste ).