Prof. Dr. Lutz Richter, Prof. Dr. Stephan Meyering
Rz. 20
Eine Erfassung von Zinsaufwendungen als Aufwand kommt insbesondere dann in Betracht, wenn entweder ein Aktivierungsverbot besteht (z. B. im Zuge der Anschaffungskostenermittlung, aufgrund mangelnden sachlichen und/oder zeitlichen Bezugs hinsichtlich § 255 Abs. 3 HGB oder aufgrund von § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB) oder das gesetzlich eingeräumte Aktivierungswahlrecht im Rahmen der Herstellungskostenermittlung nicht ausgeübt wurde.
2.2.1 Zinsen als "Zinsen und ähnliche Aufwendungen"
Rz. 21
Gem. § 275 Abs. 2 Nr. 13 HGB (Gesamtkostenverfahren) bzw. gem. § 275 Abs. 3 Nr. 12 HGB (Umsatzkostenverfahren) sind in der Gewinn- und Verlustrechnung "Zinsen und ähnliche Aufwendungen" gesondert auszuweisen. Dieser Posten enthält sämtliche Beträge, die für aufgenommenes Fremdkapital zu entrichten sind, seien es Aufwendungen für die Beschaffung, für die Rückzahlung oder Aufwendungen während der Laufzeit. Kleinstkapitalgesellschaften i. S. v. § 267a HGB haben zudem das Wahlrecht, eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen, wobei hier der Posten "sonstige Aufwendungen" (§ 275 Abs. 5 Nr. 6 HGB) einschlägig ist, der auch den Posten "Zinsen und ähnlichen Aufwendungen" umfasst.
Rz. 22
Als Zinsaufwendungen kommen v. a. in Betracht:
- Zinsen für aufgenommene Kredite jedweder Art (hier im Speziellen: Zinsen für Fremdkapital, die nicht aktiviert wurden);
- Diskontbeträge für Wechsel und Schecks;
- Verzugszinsen bzw. Stundungszinsen gem. §§ 233a und 234 AO;
- Provisionen für Kreditüberziehungen, Kreditbereitstellungen oder Bürgschaften, Verwaltungskostenbeiträge, Vermittlungsprovisionen und andere Nebenkosten;
- Abschreibungen auf ein aktiviertes Disagio (Damnum) bzw. Aufwendungen bei dessen Nichtaktivierung (Wahlrecht des § 250 Abs. 3 HGB);
- Aufwendungen aus der Aufzinsung von Rückstellungen und Verbindlichkeiten (§ 277 Abs. 5 Satz 1 HGB);
- Zinsanteile in Leasingraten bei subjektiver Zurechnung des Leasinggegenstands zum Leasingnehmer (bestimmte Fälle des Finance-Leasing); dabei findet in der Praxis die Aufteilung der Leasingrate in einen Zins- und in einen Tilgungsanteil mittels der sogenannten Zinsstaffelmethode statt.
Rz. 23
Nicht unter diesen Posten fallen dagegen Kundenskonti oder Kosten des Zahlungsverkehrs (z. B. Kontoführungsgebühren).
2.2.2 Zinsen als "sonstige betriebliche Aufwendungen"
Rz. 24
Gem. § 275 Abs. 2 Nr. 8 HGB (Gesamtkostenverfahren) bzw. gem. § 275 Abs. 3 Nr. 7 HGB (Umsatzkostenverfahren) sind in der Gewinn- und Verlustrechnung "sonstige betriebliche Aufwendungen" gesondert zu erfassen. Dieser Posten verkörpert einerseits einen Auffangposten und erfährt im HGB keine explizite Definition. Andererseits gehen in den Posten "sonstige betriebliche Aufwendungen" ausschließlich solche aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ein. In der Praxis stellt der Unterposten der "übrigen betrieblichen Aufwendungen" den wesentlichen Teil dieses Sammelpostens dar. Im Konkreten werden insbesondere Erbbauzinsen und Leasingraten, u. E. aber auch Bauzeitzinsen erfasst. Bei Leasingraten lässt sich im Umkehrschluss zum Posten "Zinsen und ähnliche Aufwendungen" insbesondere ableiten, dass Leasingraten nur dann als "sonstige betriebliche Aufwendungen" zu klassifizieren sind, falls der Leasinggegenstand bilanziell dem Leasinggeber zuzurechnen ist (bei Operate-Leasing, jedoch unter Umständen auch bei Finance-Leasing). Als Begründung dient das Argument, dass der in der Leasingrate enthaltene Zinsanteil im Normalfall unbekannt ist und sich somit nicht eindeutig vom (hier ebenfalls aufwandswirksamen) Tilgungsanteil separieren lässt.