Prof. Dr. Lutz Richter, Prof. Dr. Stephan Meyering
Rz. 45d
Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen übersteigen. Die Vorschrift trifft keine von § 4 Abs. 1 und 3 EStG abweichenden Bestimmungen zu den Begriffen "Gewinn" sowie "Entnahmen und Einlagen", sodass die allgemeinen Grundsätze gelten. Jedoch sind Gewinnanteile aus Tochterpersonengesellschaften erst bei deren Auszahlung als Einlage zu berücksichtigen.
Ausgangsgröße ist der Gewinn vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG (§ 4 Abs. 4a Satz 3 2. Halbsatz EStG). Etwaige außerbilanzielle Hinzurechnungen sind zu berücksichtigen, ebenso ein Übergangsgewinn oder -verlust nach Wechsel der Gewinnermittlungsart (R 4.6 EStR 2012) sowie steuerfreie Rücklagen, z. B. nach § 6b EStG.
Zum Gewinn gehören auch Veräußerungsgewinne nach § 16 EStG oder steuerfreie Gewinne; nicht realisierte stille Reserven bleiben unberücksichtigt. Gewinnanteile aus Tochterpersonengesellschaften werden erst im Jahr der tatsächlichen Auszahlung als Einlage berücksichtigt, da Ober- und Untergesellschaften als getrennte betriebliche Einheiten betrachtet werden müssen. Diese Vorgehensweise folgt einer betriebsbezogenen Betrachtung, nach der Ober- und Untergesellschaften als selbstständige betriebliche Einheiten zu behandeln sind. Eine Einbeziehung der Gewinne der Untergesellschaften in den Gewinn der Obergesellschaft bereits im Jahr der Entstehung der Gewinne lässt sich hiermit nicht in Einklang bringen.
Rz. 45e
Nicht abziehbare Betriebsausgaben i. S. d. § 4 Abs. 5 EStG berühren den Gewinn nicht. Sie sind außerbilanziell dem Gewinn hinzuzurechnen und lassen die Berechnung der Über-/Unterentnahmen unbeeinflusst, sofern es sich nicht um eine tatsächliche Entnahme zu privaten Zwecken wie bei der privaten Pkw-Nutzung handelt. Steuerfreie Einnahmen, z. B. Investitionszulagen, sind Bestandteile des Gewinnes und damit des Kapitalkontos und gehen daher in die Berechnung der Überentnahmen ein.
Rz. 45f
Zu den Einlagen gehören auch die bei Betriebseröffnung geleisteten Einlagen und Nutzungseinlagen; entsprechend bei den Entnahmen auch Geld- und Sachentnahmen sowie Nutzungsentnahmen (bspw. die private Nutzung des betrieblichen Pkw). Die Überführung von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen anlässlich einer Betriebsaufgabe verkörpert eine Entnahme, ebenso der Erlös aus einer Betriebsveräußerung, soweit er in das Privatvermögen überführt wird.
Wird eine Einlage (z. B. Geldeinlage) aber nur kurzfristig geleistet, um damit der Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG zu entgehen, stellt dies einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO dar.
Die Erhöhung eines Schuldsaldos durch privat veranlasste Geldentnahmen führt nicht bereits zu einer Entnahme von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem der privat veranlasste Teil des Schuldsaldos durch eingehende Betriebseinnahmen getilgt wird, weil insoweit betriebliche Mittel zur Tilgung einer privaten Schuld verwendet werden.
Die Finanzverwaltung gestattet es aber aus Vereinfachungsgründen, dass der Steuerpflichtige schon die Erhöhung des Schuldsaldos aus privaten Gründen als Entnahme bucht und bei der Tilgung des privat veranlassten Schuldsaldos keine Entnahmebuchung mehr vornimmt.
Die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen ist als Entnahme des abgebenden und Einlage des aufnehmenden Betriebes anzusetzen, selbst, wenn der Vorgang nach § 6 Abs. 5 EStG zu Buchwerten erfolgt.
Dies gilt nicht für den unentgeltlichen Übergang eines Betriebes oder eines Mitunternehmeranteils.
Rz. 45g
Da der allgemeine Gewinnbegriff gilt, sind auch Verluste anzusetzen. Sie führen aber für sich genommen nicht zu Überentnahmen. Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist im Wege teleologischer Reduktion zu begrenzen. Nach Sinn und Zweck der Regelung sind daher in einem Verlustjahr die Überentnahmen nicht höher anzusetzen als der Betrag, um den die Entnahmen die Einlagen der Totalperiode, d. h. seit der Betriebseröffnung, übersteigen (Entnahmeüberschuss).