Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Ulrike Karrenbauer
Zusammenfassung
Die Zinsrechnung beschäftigt sich mit der Ermittlung des Endbetrages, der sich bei der Anlage eines einmalig gezahlten Betrages oder bei regelmäßigen Einzahlungen nach n Jahren ergibt.
1 Merkmale der Zinsrechnung
Grundlegend hierfür ist der Begriff des Zinses. Der Zins ist der Betrag, der für die temporäre Überlassung von Kapital an den Kapitalgeber gezahlt werden muss. Im Rahmen der Zinsrechnung ist zu unterscheiden, ob die Zinsen lediglich auf den Anlagebetrag gezahlt (einfache Zinsrechnung) oder bereits gezahlte Zinsen mitverzinst werden (Zinseszinsrechnung). Wird die Zinseszinsrechnung angewendet, ist der Zeitpunkt der Zinszahlungen zu berücksichtigen, d. h. ob die Zinsen jeweils am Jahresende (jährlich) oder anteilmäßig unterjährig, z. B. halb- oder vierteljährlich, gutgeschrieben werden. Grundsätzlich können mit Hilfe der Zinsrechnung die folgenden vier Fragen beantwortet werden:
- Wie hoch ist das Endkapital bei gegebenem Anfangskapital, Zinssatz und Laufzeit?
- Wie hoch muss das Anfangskapital sein, um einen bestimmten Endbetrag bei gegebenem Zinssatz und Laufzeit zu erhalten?
- Mit welchem Zinssatz muss das Anfangskapital verzinst werden, um nach der Laufzeit n ein bestimmtes Endkapital zu erreichen?
- Wie lange muss das Anfangskapital bei gegebenem Zinssatz angelegt werden, um ein bestimmtes Endkapital zu erreichen?
Im Rahmen der Zinsrechnung wird zwischen dem Anfangskapital K0, dem Endkapital Kn, dem Zinssatz i (in Dezimalform) und der Laufzeit n unterschieden. Anfangs- und Endkapital sowie der Zinsbetrag werden in einer einheitlichen Währung, wie z. B. EUR, der Jahreszinssatz in % p.a. (per annum) angegeben. Dieser Zinssatz ist jedoch nicht mit dem effektiven Jahreszins (Effektivzins) identisch. Bezieht sich der Zinssatz nicht auf ein Jahr, sondern auf eine kürzere Laufzeit, wird dies durch den Zusatz p. r. t. (pro rata temporis) kenntlich gemacht. Der Zinssatz gilt dabei immer für das Kapital, das dem Geschäft zugrunde liegt bzw. das zu Beginn oder Ende einer Zinsperiode vorhanden ist.
2 Einfache Zinsrechnung
Bei einfacher Zinsrechnung bleibt der Zinsbetrag über die gesamte Laufzeit konstant, d. h. Zinsen, die während der Laufzeit anfallen, werden dem zugrunde liegenden Kapital nicht zugeschrieben. Das Kapital, auf das sich der Zinssatz bezieht, verändert sich also während der Laufzeit nicht.
Nach einer Laufzeit von einem Jahr hat der Kapitalgeber einen Zinsanspruch in Höhe von i · K0. Ist das Kreditgeschäft nach diesem einen Jahr beendet, entspricht das Endkapital der Summe aus Anfangskapital und Zinsen:
Bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr besitzt der Kapitalgeber weitere Zinsansprüche in den folgenden Jahren. Diese Zinsansprüche entsprechen denen aus dem ersten Jahr, da bei einfacher Zinsrechnung die anfallenden Zinsen nicht dem zinstragenden Kapital zugeschlagen werden. Der Zinssatz bezieht sich also weiterhin auf das Anfangskapital K0. Nach dem zweiten Jahr hat der Kapitalgeber daher Anspruch auf:
K2 = |
K0 + i · K0 + i · K0 K0 + 2 · i · K0 |
Die Berechnung der Zinsbeträge sowie die Ansprüche des Kapitalgebers für die folgenden Jahre bis zum Laufzeitende n wird analog durchgeführt:
K1 = |
K0 + i · K0 |
K2 = |
K0 + 2 · i · K0 |
K3 = |
K0 + 3 · i · K0 |
· · · |
|
Kn = |
K0 + n · i · K0. |
Durch Umformung dieser Gleichungen erhält man die folgende Formel zur Berechnung des Endkapitals Kn:
Auf Grundlage dieser Formel können auch der Zinssatz, das Anfangskapital sowie die Laufzeit berechnet werden.
Die Entwicklung des Endkapitals in Abhängigkeit von der Laufzeit bei einfacher Zinsrechnung zeigt Abbildung 1.
Abb. 1: Endkapital in Abhängigkeit von der Laufzeit bei einfacher Zinsrechnung
Einfache Zinsrechnung
Ein Betrag von 500.000 EUR wird zu einem Zinssatz von 5 % p.a. für 7 Jahre ohne Zinseszins angelegt.
Die jährliche Zinszahlung beträgt 500.000 EUR · 0,05 = 25.000 EUR. Nach 7 Jahren hat der Anleger einen Anspruch auf den Endbetrag K7 in Höhe von:
K7 = 500.000 EUR (1+ 7 · 0,05) = 500.000 EUR + 175.000 EUR = 675.000 EUR.
Ein Anleger möchte wissen, welchen Geldbetrag er heute anlegen muss, um bei einer Verzinsung von 6 % in 10 Jahren einen Betrag von 100.000 EUR zu erhalten.
K0 = Kn / (1+ n · i)
K0 = 100.000 EUR / (1 + 10 · 0,06)
K0 = 62.500
Einem Anleger stehen heute 50.000 EUR zur Verfügung, die er so anlegen möchte, dass er in 5 Jahren genau 80.000 EUR zur Verfügung hat. Zu welchem Zinssatz muss er das Kapital anlegen?
i = (Kn – K0) / K0 · n
i = (80.000 – 50.000) / 80.000 · 5
i = 0,075
Ein Betrag in Höhe von 80.000 EUR soll zu einem Zinssatz von 5 % so angelegt werden, dass sich ein Endbetrag von 100.000 EUR ergibt. Wie lange muss das Kapital angelegt werden?
n = (Kn – K0) / K0 · i
n = (100.000 – 80.000) / 80.000 · 0,05
n = 5
3 Zinseszinsrechnung
Bei der Zinseszinsrechnung werden die Zinszahlungen einer Periode zu dem zinstragenden Kapital addiert, d. h. der Betrag, auf den sich der Zinssatz bezieht, erhöht sich mit zunehmender Laufzeit. Das bedeutet, dass der Zinsbetrag einer Periode in den jeweils folgenden Perioden mitverzins...