Leitsatz
1. Einreihungsverordnungen der Kommission, die nicht zur Änderung des Tarifrechts, sondern zur Klarstellung der Rechtslage und zur einheitlichen Anwendung der KN ergehen, können als Indiz für die zutreffende tarifliche Einreihung auch solcher gleichartiger Waren herangezogen werden, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingeführt wurden.
2. Transformatoren sind Geräte, die mithilfe verschiedenartiger Wicklungen um einen Eisenkern Wechselstrom durch Induktion in einem festgelegten oder regelbaren Verhältnis in Wechselstrom anderer Stärke und Spannung umwandeln.
Normenkette
KN AV 6 S. 1, AV 3 Buchst. c, Unterpos. 8504 31, Unterpos. 8504 32, Unterpos. 8504 50 80
Sachverhalt
Eine Sendung "Drosselspulen mit einer Induktivität von nicht mehr als 62 mH" war 2003 unter Angabe des Taric Codes 8504 50 80 300 und unter Inanspruchnahme der für Waren dieser Art bestehenden Zollaussetzung (Verordnung [EG] Nr. 1255/96 des Rates vom 27.06.1996 zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte gewerbliche und landwirtschaftliche Waren sowie Fischereierzeugnisse) eingeführt worden. Die Warensendung wurde wie angemeldet zum freien Verkehr abgefertigt. Bei der Ware handelt es sich um einen auf einer Kunststoffplatte befestigten ringförmigen Spulenkern aus Metall, der mit zwei voneinander getrennten Wicklungen aus Kupferdraht mit jeweils der gleichen Anzahl von Windungen versehen ist, deren Enden zu Anschlussstiften an der Unterseite der Kunststoffplatte führen, sodass sich insgesamt vier Anschlüsse ergeben.
Die ZPLA kam aufgrund der Untersuchung einer Probe zu dem Ergebnis, dass die Ware in die Unterpos. 8548 90 90 KN einzureihen sei, woraufhin das HZA Zoll nach einem Zollsatz von 2,7 % nacherhob. Im anschließenden Einspruchsverfahren änderte die ZPLA ihre Tarifauffassung, indem sie die Ware als einen elektrischen Transformator ansah und in die Unterpos. 8504 32 90 KN einreihte. Das HZA wies daraufhin den Einspruch der Klägerin mit der Maßgabe zurück, dass der Zoll nach einem Zollsatz von 3,7 % nachzuerheben sei (FG München, Urteil vom 03.05.2007, 14 K 2388/04, Haufe-Index 1769450).
Durch die am 14.12.2010 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 1076/2010 (VO Nr. 1076/2010) der Kommission zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABlU Nr. L 308/3) sind Waren, deren in der Verordnung beschriebene Beschaffenheitsmerkmale denen der im vorliegenden Fall streitigen Ware entsprechen, in die Unterpos. 8504 50 95 KN (entspricht der Unterpos. 8504 50 80 KN im Streitjahr 2003) eingereiht worden.
Entscheidung
Die Waren sind zu Recht als Drosselspulen mit einer Induktivität von nicht mehr als 62 mH des Taric-Codes 8504 50 80 300 angemeldet und abgefertigt worden. Für Waren dieser Art waren die Zölle ausgesetzt. Der Nacherhebungsbescheid ist mithin rechtswidrig.
Hinweis
Einreihungsverordnungen der Kommission dürfen zwar grundsätzlich nicht analog bei der Einreihung von Waren angewendet werden, die vor ihrem Inkrafttreten eingeführt worden sind. Sofern sie jedoch wie im Regelfall lediglich zur Klarstellung der Rechtslage zum Zweck der einheitlichen Anwendung der KN und nicht zur Änderung des bestehenden Rechts ergehen, sind solche Verordnungen als Indiz zur Bestätigung tariflicher Einreihungen heranzuziehen, sofern die Warenbeschreibung in ihren wesentlichen Punkten mit derjenigen der einzureihenden Ware übereinstimmt (vgl. BFH, Urteil vom 11.03.2004, VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305). Auch die ErlHS sind zwar keine verbindlichen Rechtsnormen, aber zur Auslegung der einzelnen Tarifpositionen heranzuziehen (vgl. EuGH, Urteile vom 12.01.2006, C-311/04 – Algemene Scheeps Agentuur Dordrecht –, BFH/NV Beilage 2006, 170; vom 05.06.2008, C-312/07 – JVC France –, BFH/NV Beilage 2008, 294).
Wenn man der hier streitigen Ware sowohl die objektiven Beschaffenheitsmerkmale eines Transformators als auch einer Drosselspule zugestünde, ließe sie sich sowohl in die Unterpos. 8504 31 KN (bzw. bei größerer Leistung die Unterpos. 8504 32 KN) als auch in die Unterpos. 8504 50 KN einreihen. In einem solchen Fall ist eine Ware gem. der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 6 S. 1 i.V.m. AV 3 Buchst. c (die AV 3 Buchst. a und b scheiden aus) der in der KN zuletzt genannten Unterposition zuzuweisen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.04.2011 – VII R 20/07