Leitsatz
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch und ihre Folgen für die Vermutung nach § 133 Abs. 1 Satz 2 der Insolvenzordnung (InsO) können nicht auf ein steuerrechtliches Drei-Personen-Verhältnis übertragen werden, in dem das Finanzamt als Dritter Anfechtungsgegner ist. Ob der Schuldner im Sinne von § 133 InsO mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt und das Finanzamt diesen gekannt hat, ist daher im Einzelfall zu prüfen.
Normenkette
§ 96 Abs. 1 Nr. 3, § 133 InsO
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter des Nachlasses des im Jahr 2017 verstorbenen E (Schuldner). Der Schuldner war Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH, deren Geschäftsbetrieb nach den Angaben des Schuldners seit 2005 ruhte. Fortan betrieb er ein Einzelunternehmen. Es kam zu Schätzungen, weil der Schuldner seit 2005 keine Steuererklärungen mehr abgegeben hatte. Zur Aufrechterhaltung des Betriebs hatte die Ehefrau dem Schuldner erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt.
Das FA setzte nach einer LSt-Außenprüfung erhebliche Nachforderungen gegenüber der GmbH und dem Schuldner fest.
Mit Beschluss vom 15.10.2007, zuletzt geändert durch Beschluss vom 26.1.2010, arrestierte das AG U auf Antrag der StA Steuererstattungsansprüche des Schuldners gegen das FA i.H.v. (zuletzt) … EUR. Im Zeitraum von Oktober 2007 bis Juli 2011 wurden die bei der StA vom FA und den Sozialversicherungsträgern angemeldeten Forderungen mit den arrestierten USt-Erstattungsansprüchen verrechnet.
Im Jahr 2012 beantragte der Schuldner selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieses wurde im Jahr 2012 eröffnet und der Kläger (nach Versterben des ursprünglichen Insolvenzverwalters) zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem der Schuldner 2017 verstorben war, leitete das AG das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Schuldners ein.
Das FA hatte im Zeitraum von April 2009 bis Oktober 2011 auf mehrfache Bitte des Schuldners Aufrechnungen von fälligen USt-Erstattungsbeträgen mit LSt-Forderungen vorgenommen. In der Folge kam es zu Aufrechnungen i.H. eines noch streitigen Betrags von … EUR.
Ab Mai 2013 machte der Kläger verschiedene Anfechtungsansprüche gegenüber dem FA geltend und wies darauf hin, dass die Aufrechnungen nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam seien, weil das FA die Möglichkeit der Aufrechnung der USt-Erstattungsansprüche unter anderem für den Zeitraum April 2009 bis Oktober 2011 mit seinen LSt-Forderungen gegen den Schuldner in nach § 133 InsO anfechtbarer Weise erlangt habe.
In dem streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid stellte das FA fest, dass die USt-Erstattungsansprüche mit den LSt-Forderungen von März 2009 bis Dezember 2011 wirksam aufgerechnet worden und deshalb erloschen seien. Im Einspruchsverfahren half das FA in Bezug auf die USt-Erstattungsansprüche für November und Dezember 2011 ab und wies den Einspruch im Übrigen zurück.
Das FG (FG Münster, Urteil vom 25.1.2018, 6 K 1013/15, Haufe-Index 11638520, EFG 2018, 811) wies die Klage ab. Es war der Ansicht, die erklärten Aufrechnungen seien nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 133 InsO unzulässig und der Abrechnungsbescheid daher rechtmäßig. Es ließ dahinstehen, ob der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hatte. Es spreche jedoch viel dafür, dass der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ausgeschlossen sei, weil die Voraussetzungen einer bargeschäftsähnlichen Lage im Sinne der Rechtsprechung des BGH angenommen werden müssten. Jedenfalls habe das FA keine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt.
Hiergegen richtete sich die Revision des Klägers.
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG hatte bislang keine ausreichenden Feststellungen zu einem eventuellen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und einer Kenntnis des FA hiervon getroffen.
Hinweis
In den Fällen der Anfechtung (§§ 129ff. InsO, AnfG) hat sich der BFH regelmäßig auch mit der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH auseinanderzusetzen.
1. Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Nach der BGH-Rechtsprechung handelt ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Denn in diesem Fall weiß er, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen.
2. Allerdings sind die vom BGH entwickelten Grundsätze des Baraustauschs zu beachten:
In Fällen kongruenter Leistungen hat der BGH anerkannt, dass der Schuldner trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit au...