Leitsatz
Ein vor dem 1.7.1970 entstandenes, nicht an Aktien gebundenes Zuckerrübenlieferrecht hatte sich vor diesem Stichtag nur dann als immaterielles Wirtschaftsgut verfestigt, wenn sich für solche Rechte bereits ein Markt gebildet hatte. Sofern das der Fall ist, kommt der Abzug eines anteiligen Buchwerts bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht in Betracht.
Normenkette
§ 13 EStG , § 14 EStG , § 16 EStG , § 55 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte 1989 seinen landwirtschaftlichen Betrieb veräußert. Eingeschlossen waren in die Veräußerung auch Aktien an einer Zucker AG sowie Lieferrechte an die Zucker AG, die teils mit den Aktien verbunden, teils aber auch davon unabhängig waren. Das FA ging davon aus, dass ein Teil des Kaufpreises auf die ungebundenen Lieferrechte entfiel. Dadurch ergab sich ein höherer Veräußerungsgewinn, weil ein Buchwert nicht abgezogen wurde und der insoweit in Bezug auf den Grund und Boden eingetretene Verlust wegen § 55 Abs. 6 EStG nicht abgezogen werden konnte. Die Grundstücke waren nämlich gem. § 55 Abs. 1 EStG mit dem doppelten Ausgangswert auf den 1.1.1970 bewertet worden.
Im ersten Rechtsgang bestätigte das FG weitgehend die Auffassung des FA. Der BFH hob das Urteil jedoch auf (BFH, Urteil vom 24.6.1999, IV R 33/98, BStBl II 2003, 58) und gab dem FG auf, es solle prüfen, ob sich das Rüben-Lieferrecht vor dem 1.1.1970 zu einem eigenständigen Wirtschaftsgut verselbstständigt habe. Dann sei ein Buchwert nicht abzuziehen. Anderenfalls müsse von dem Bodenwert ein Buchwertanteil abgespalten und von dem anteiligen Kaufpreis abgezogen werden.
Im zweiten Rechtsgang kam das FG wieder zu dem Ergebnis, es sei kein Buchwert abzuziehen. Denn das Lieferrecht habe sich vor dem 1.1.1970 verselbstständigt.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil erneut auf und verwies das Verfahren zum dritten Rechtsgang wieder an das FG zurück. Die Feststellungen zur Verselbstständigung des Lieferrechts reichten nicht aus.
Hinweis
1. Die Behandlung von Lieferrechten in landwirtschaftlichen Betrieben hat den BFH seit 1998 beschäftigt. Der dabei entstandene tiefgreifende Konflikt mit der Finanzverwaltung ist mittlerweile durch Nachgeben der Verwaltung beigelegt. Im Jahr 2003 wurden endlich alle seit 1998 hierzu ergangenen Urteile des BFH im BStBl II abgedruckt (ab S. 54). Zugleich erging ein Anwendungserlass betreffend die Behandlung von Milch-Lieferrechten vom 14.1.2003 (BStBl I 2003, 78).
2. Die Grundfrage ist damit nicht mehr streitig: Mit der Nutzung des Bodens zusammenhängende Lieferrechte, die bei Einführung der Bodengewinnbesteuerung zum 1.7.1970 noch nicht als eigenständige Wirtschaftsgüter entstanden waren, sind im seinerzeit pauschal nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Wert des Grund und Bodens enthalten. Bei der späteren Verselbstständigung des Rechts wird vom Buchwert des Bodens der auf das Lieferrecht entfallende Teil abgespalten. Wird das Lieferrecht später entnommen oder veräußert, ergibt sich ein Gewinn nur aus der Differenz zwischen abgespaltenem Buchwert und dem Entnahmewert bzw. Veräußerungspreis.
3. Der abgespaltene Wert ist nach dem Verhältnis der Teilwerte von "nacktem" Grund und Boden und Lieferrecht im Zeitpunkt der Abspaltung zu ermitteln. Für Milch-Lieferungsrechte hat das BMF in dem erwähnten Schreiben vom 14.1.2003 Berechnungsmethoden entwickelt. Für andere Rechte gibt es noch keine Pauschalwerte.
4. Im Besprechungsurteil ging es noch nicht um die Berechnung eines Werts von Zuckerrüben-Lieferrechten, sondern um die Vorfrage, ob das Lieferrecht am 1.7.1970 bereits als eigenständiges Wirtschaftsgut existierte. Bereits im Jahr 1968 hatte die EU eine Zuckermarktordnung geschaffen und die Lieferrechte quotiert. Daraus hatte das FG geschlossen, dass im Jahr 1970 ein eigenständiges Lieferrecht bestanden habe. Diese Auffassung teilte der BFH nicht. Denn maßgeblich sei, ob am 1.7.1970 Lieferrechte auch am Markt eigenständig gehandelt worden seien. Nur dann sei das Lieferrecht als Wirtschaftsgut entstanden gewesen. Diese Frage muss das FG nun noch prüfen.
Beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass generelle Aussagen über die Verselbstständigung des Zuckerrüben-Lieferrechts im gesamten Bundesgebiet nicht gemacht werden können. Denn die Erteilung von Lieferrechten hat sich in Deutschland regional unterschiedlich entwickelt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.09.2003, IV R 53/02