Leitsatz
1. Die Ablösung einer vom Arbeitgeber erteilten Pensionszusage führt beim Arbeitnehmer zwar dann zum Zufluss von Arbeitslohn, wenn der Ablösungsbetrag auf Verlangen des Arbeitnehmers zur Übernahme der Pensionsverpflichtung an einen Dritten gezahlt wird (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Hat der Arbeitnehmer jedoch kein Wahlrecht, den Ablösungsbetrag alternativ an sich auszahlen zu lassen, wird mit der Zahlung des Ablösungsbetrags an den die Pensionsverpflichtung übernehmenden Dritten der Anspruch des Arbeitnehmers auf die künftigen Pensionszahlungen (noch) nicht wirtschaftlich erfüllt. Ein Zufluss von Arbeitslohn liegt in diesem Fall nicht vor.
Normenkette
§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, § 415 Abs. 1 BGB, § 4, § 17 Abs. 1 BetrAVG
Sachverhalt
Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer sowie Mehrheitsgesellschafter der A GmbH und hatte Anspruch auf ein Ruhegehalt in Höhe von 50 % seiner letzten Vergütung. Die zur Finanzierung der Altersversorgung abgeschlossene Lebensversicherung war im Streitjahr bereits ausgezahlt. Der Auszahlungsbetrag in Höhe von rund 467.000 EUR wurde getrennt vom Betriebsvermögen der A GmbH angelegt.
Der Kläger veräußerte sämtliche Geschäftsanteile an der A GmbH an die X AG. Im Kaufvertrag war vereinbart, dass die Pensionsverpflichtung, die zuvor auf 3.500 EUR monatlich "gedeckelt" wurde, nicht auf den Erwerber, sondern auf die von A allein zu diesem Zweck gegründete B GmbH (sogenannte Pensionärs-GmbH) übergehen sollte. Dementsprechend übernahm die B GmbH alle Rechte und Pflichten aus der dem A seitens der A GmbH gewährten Pensionszusage gegen Zahlung einer Vergütung in Höhe von 467.000 EUR. A stimmte der Übertragung der Pensionsverpflichtung auf die B GmbH zu.
Das FA wertete diese Vorgänge als Einnahmen des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe des Ablösebetrags. Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2012, 7 K 609/12 E, Haufe-Index 4332008).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der A GmbH als Gegenleistung für die Übernahme der Pensionszusage an die B GmbH gezahlte Ablöse beim Kläger zu einem Zufluss von Arbeitslohn geführt habe. Die Sache sei jedoch nicht entscheidungsreif. Denn das FG habe bislang nicht geprüft, ob der Kläger mit der "Deckelung" des Ruhegehalts einen teilweisen Verzicht geleistet und damit eventuell eine zum Zufluss von Arbeitslohn führende und mit dem Teilwert zu bewertende verdeckte Einlage bewirkt habe.
Hinweis
1. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird, wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Allerdings führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Der Zufluss ist grundsätzlich vielmehr erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben, also wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt (BFH, Urteil vom 5.7.2007, VI R 47/02, BFH/NV 2007, 1876, m.w.N.).
2. Der Zufluss von Arbeitslohn ist ferner zu bejahen, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten verschafft (BFH, Urteil vom 5.7.2012, VI R 11/11, BFH/NV 2013, 294, m.w.N.).
3. Die Ablösungszahlung im Rahmen der Schuldübernahme einer Pensionsverpflichtung führt demgemäß nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn. Durch die Zahlung der Ablöse erfüllt der Arbeitgeber keinen Anspruch des Arbeitnehmers, sondern einen solchen der die Verpflichtung übernehmenden Pensions-GmbH. Durch die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Pensions-GmbH wird lediglich der Schuldner der Verpflichtung aus der Pensionszusage ausgetauscht. Die (bloße) Schuldübernahme nach § 415 Abs. 1 BGB führt indes lediglich zu einem Schuldnerwechsel und bewirkt (noch) keinen Zufluss beim Pensionsberechtigten. Sie ändert weder etwas an dem Charakter der Pensionszusage noch an deren Inhalt. Es bleibt vielmehr bei dem bloßen Versprechen, die zugesagten Leistungen in der Zukunft zu erbringen.
Besonderheit bei Wahlrecht
Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitnehmer zwischen der Zahlung des Ablösebetrags an sich selbst (gegen Verzicht) oder an die Pensions-GmbH gegen Übernahme der Pensionsverpflichtung wählen kann. Die in Ausübung des Wahlrechts erfolgte Zahlung an die Pensions-GmbH ist in einem solchen Fall als vorzeitige Erfüllung der Pensionszusage und damit als Zufluss von Arbeitslohn zu würdigen (BFH, Urteil vom 12.4.2007, VI R 6/02, BFH/NV 2007, 1409).
Ein solches Wahlrecht kann allerdings nicht allein deshalb angenommen werden, weil der Arbeitnehmer als alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter des Arbeitgebers das Geschehen "faktisch" in der Hand hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.8.2016 – VI R 18/13