OFD Rheinland, Verfügung v. 14.12.2011, Kurzinformation ESt Nr. 57/2011
Bezug: BFH-Urteil vom 9.8.2011, BStBl 2011 II S. 875
Kassenzulassung als wertbildender Faktor
Mit dem Urteil vom 9.8.2011 (BStBl 2011 II S. 875) hat der BFH entschieden, dass der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Praxiswert stehendes Wirtschaftsgut darstellt. Erwirbt daher ein Praxisnachfolger eine bestehende Arztpraxis, einen Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil mit Vertragsarztsitz und zahlt er unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben einen Kaufpreis, der den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt, ist der Kassenzulassung kein gesonderter Wert beizumessen und sie ist somit einheitlich mit dem Praxiswert abzuschreiben.
Kassenzulassung als eigenständig bewertbares, nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut
Allerdings hat der BFH in seinem Urteil ausgeführt, dass dieser grundsätzlich in den Praxiswert eingeflossene wertbildende Faktor sich dann zu einem eigenständigen Wirtschaftsgut konkretisieren kann, wenn er zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs – z.B. im Kaufvertrag – gemacht wird.
Von einem eigenständigen Wirtschaftsgut ist nur in besonders gelagerten Fällen auszugehen. Erwirbt etwa ein Praxisnachfolger im Rahmen der Nachbesetzung eine Praxis, ohne sie (Praxisräume, Patientenstamm, Nebenbetriebsstätten) zu übernehmen und fortzuführen und ergeben sich aufgrund vorliegender Vereinbarungen oder Verträge Anhaltspunkte dafür, dass der Erwerb der Kassenzulassung im Vordergrund steht, z.B. um den Vertragsarztsitz zu verlegen oder die Aufnahme des Erwerbers als weiteren Gesellschafter in eine bestehende freiberufliche Personengesellschaft zu ermöglichen, dann kommt der Anschaffung der Vertragsarztzulassung eine nicht unerhebliche eigene wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. Rz 25 des o.a. Urteils). In diesen Fällen ist von der Entstehung eines selbständigen immateriellen Wirtschaftsgutes auszugehen, so dass die entsprechenden Anschaffungskosten der Kassenzulassung zuzuordnen sind.
Zu dieser Konstellation ist unter dem Az. 6 K 4538/07 beim FG Köln ein Klageverfahren anhängig. In dem streitbefangenen Sachverhalt geht es um den Erwerb einer Einzelpraxis, bei der bereits vor Abschluss des Kaufvertrages die Absicht dokumentiert wurde, dass der im Zusammenhang mit der Praxis erworbene Vertragsarztsitz auf einen Mitgesellschafter der erwerbenden Gemeinschaftspraxis übergehen sollte.
Absetzungen für Abnutzung oder Teilwertabschreibung
Da die Vertragsarztzulassung generell zeitlich unbegrenzt erteilt wird, kommen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann eine Teilwertabschreibung vorgenommen werden, wenn der Vertragsarzt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich ermittelt.
Eine Teilwertabschreibung nach Einführung der Bedarfszulassung zum 1.1.2003 im Rahmen der Reform der gesetzlichen Krankenversicherungen ab 2000 (GKV-GR 2000 vom 22.12.1999, BStBl 1999 I S. 2626) kommt allerdings nicht in Betracht. Denn eine Verwertungsmöglichkeit der Zulassung besteht auch über den 1.1.2003 hinaus, da nach § 103 Abs. 4 SGB V die Ausschreibung für gesperrte Planbereiche weiterhin möglich ist. Durch die Einführung der Bedarfszulassung ändert sich an der Verwertungsmöglichkeit der Zulassung nichts.
Hinweis:
Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl 2007 I S. 378) sind die Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte mit Wirkung zum 1.4.2007 weggefallen (§ 103 Abs. 8 SGB V).
In diesen Fällen ist bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zulässig, da ab dem 1.4.2007 mit der kassenärztlichen Zulassung kein verwertbarer wirtschaftlicher Vorteil mehr verbunden ist.
Die gemeinsame Verfügung der OFDen Münster und Rheinland vom 11.2.2009, S 2170 – St 157 (01/2008) bzw. S 2172 – 152 – St 12 – 33 wird hiermit aufgehoben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2;
SGB V § 103 Abs. 4