Leitsatz
1. Werden im Zug einer Kapitalerhöhung einer GmbH Dritte zur Übernahme neuer Geschäftsanteile, deren gemeiner Wert die jeweils zu leistenden Einlagen übersteigt, zugelassen, ohne weitere Verpflichtungen eingehen zu müssen, sind sie mit der Eintragung im Handelsregister auf Kosten der Altgesellschafter bereichert. Die Bereicherung beruht auf einer Zuwendung der Altgesellschafter. Die Leistung der Einlagen stellt Erwerbsaufwand dar.
2. Zu den Voraussetzungen eines beachtlichen Irrtums des Schenkers über die Freigebigkeit der Zuwendung.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
Sachverhalt
Die Ehefrau des Klägers gründete mit einer weiteren Gesellschafterin eine GmbH und übernahm dabei die Hälfte des Stammkapitals von 50 000 DM. Noch am Tag der Gründung gab sie zugunsten des Klägers ein notarielles unbefristetes Angebot über den Verkauf ihres Geschäftsanteils zu einem Preis in Höhe der auf die Einlage geleisteten Einzahlung ab. Die Einzahlung war vom Kläger finanziert worden.
Jahre später beschlossen die Gesellschafterinnen eine Kapitalerhöhung von 150 000 DM, wobei die Ehefrau 26 000 DM übernahm. Der Kläger wurde zur Übernahme einer Einlage von 29 000 DM zum Nennwert zugelassen. Die Anteile an der GmbH hatten zu diesem Zeitpunkt einen Wert von über 4 000 DM pro 100 DM des Stammkapitals.
Das FA sah in der Zulassung des Klägers zur Übernahme des neuen Geschäftsanteils eine gemischte Schenkung seitens der Ehefrau, die es mit dem gemeinen Wert des erhaltenen Anteils (§ 11 Abs. 2 BewG) abzüglich der zu leistenden Einlage bewertete. Dagegen meinte der Kläger, er hätte ebenso gut das Verkaufsangebot annehmen können und daher nur etwas erhalten, was er ohnehin hätte beanspruchen können.
Entscheidung
Der BFH folgte dem FA mit der Maßgabe, dass er objektiv keine gemischte, sondern eine reine Schenkung annahm. Die vom Kläger geleistete Einlage stelle keine teilweise Gegenleistung dar, sondern einen Erwerbsaufwand i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Im Übrigen habe der Kläger seinen Geschäftsanteil von beiden Altgesellschafterinnen erhalten und damit nur zur Hälfte von der Ehefrau. Da es der BFH jedoch für möglich hielt, dass der Ehefrau wegen eines beachtlichen Irrtums über die Freigebigkeit der Zuwendung der Wille zur Unentgeltlichkeit fehlte, verwies er die Sache an das FG zurück.
Die Bereicherung des Klägers sah der BFH in dem originären Erwerb des neuen Geschäftsanteils, dessen Wert von Anfang an den Nennwert überstieg. Diese Bereicherung erfolgte u.a. (neben der anderen Gesellschafterin) auch auf Kosten der Ehefrau, weil ihr eigener Geschäftsanteil nunmehr eine geringere quotale Beteiligung vermittelt und zugleich eine Wertminderung erfahren hat. Die Bereicherung beruht auch auf einer Zuwendung u.a. der Ehefrau. Zwar trat nach außen gegenüber dem Kläger nur die GmbH auf – nämlich bei Abschluss des Übernahmevertrags –; die GmbH verfügte dabei jedoch nicht über eigenes Vermögen, sondern über Vermögen der Altgesellschafterinnen. Diese hatten die GmbH durch den Zulassungsbeschluss dazu ermächtigt. Die Ermächtigung stellt den Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung dar. Das Vermögen der GmbH wird bis auf den Erhalt der neuen Einlage nicht berührt.
Sollte die Ehefrau der Ansicht gewesen sein, aufgrund des Übertragungsangebots zur Zulassung des Klägers zur Kapitalerhöhung verpflichtet gewesen zu sein, wäre diese Vorstellung falsch. Darin könnte aber ein beachtlicher Irrtum über die Freigebigkeit der Zuwendung liegen. Der Irrtum hätte nämlich in dem Übertragungsangebot einen realen Bezug, der ihn auch nach den objektivierenden Maßstäben des Verkehrsüblichen beurteilt als vertretbar erscheinen lässt. Allerdings darf das Angebot selbst nicht schenkweise abgegeben worden sein.
Hinweis
Nachdem nunmehr der BFH entschieden hat, dass die Kapitalerhöhung unter den im Leitsatz beschriebenen Voraussetzungen zu freigebigen Zuwendungen zugunsten der neuen Gesellschafter führt, empfiehlt es sich, etwaige den Anteilswert erhöhende Zuführungen zum Gesellschaftsvermögen der GmbH erst vorzunehmen, wenn die Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen ist. Denn spätere Zuführungen zum Gesellschaftsvermögen erhöhen nur noch den Wert der Anteile, führen aber nach der Rechtsprechung des BFH nicht zu einer substanziellen Vermögensmehrung der Gesellschafter.
Steht etwa die Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit einer Betriebsaufspaltung, sollte mit der geplanten Verpachtung eines ertragsstarken Betriebs an die GmbH aus schenkungsteuerlicher Hinsicht die Handelsregistereintragung der Kapitalerhöhung abgewartet werden.
Die erfolgreiche Darlegung eines beachtlichen Irrtums über die Freigebigkeit einer Zuwendung erfordert den Nachweis eines überzeugenden objektiven Aufhängers für die geltend gemachte Fehlvorstellung, der auch bei anderen denselben Irrtum hätte hervorrufen können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.12.2000, II R 42/99