Leitsatz
Wer Post-Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG, § 4 Nr. 11b UStG erbringt, hat Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG.
Normenkette
§ 4 Nr. 11b UStG, § 33 Abs. 1 PostG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 2 Nr. 13, Art. 3 Abs. 4 EGRL 97/67
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A‐GmbH (A). A betrieb ein Unternehmen, das insbesondere Postzustellungsaufträge im Inland ausführte.
A beantragte im Jahr 2010 beim BZSt, ihr eine Bescheinigung über die Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf das Produkt Postzustellungsaufträge nach § 4 Nr. 11b UStG zu erteilen. A hatte sich gemäß § 4 Nr. 11b UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt verpflichtet, bundesweit flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten. Das BZSt lehnte den Antrag auf Erteilung der Bescheinigung ab. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wies das FG (FG Köln, Urteil vom 9.12.2015, 2 K 1715/11, Haufe-Index 9305860, EFG 2016, 774) die Klage ab, da ein "Postzustellungsauftrag" bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 4 Nr. 11b UStG nicht zu den Post-Universaldienstleistungen gehöre.
Entscheidung
Nach Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens, das zum EuGH-Urteil Winterhoff führte, hob der BFH das Urteil des FG auf und gab der Klage statt.
Hinweis
1.§ 4 Nr. 11b Satz 1 UStG befreit die dort bezeichneten Postuniversaldienstleistungen. Für die Steuerfreiheit muss sich der Unternehmer entsprechend einer Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern gegenüber dieser Behörde verpflichten, flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit dieser Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich hiervon anzubieten.
2. Wie der EuGH auf Vorlage durch den BFH im Urteil Winterhoff (EuGH, Urteil vom 16.10.2019, C-4/18, C-5/18, Haufe-Index 13488073, EU:C:2019:860) entschieden hat, sind die Inhaber einer nationalen Lizenz, die verpflichtet, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, "Universaldiensteanbieter" und erbringen mit den förmlichen Zustellungen als "öffentlichen Posteinrichtungen" steuerfreie Dienstleistungen.
3. Daher reicht die Verpflichtung, Schriftstücke förmlich zuzustellen, zur Anwendung von § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG und damit weitergehend zur Begründung der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.2.2020 – V R 37/19 (V R 8/16)