Leitsatz
Die Wendung "Eintrittsberechtigung für Kinos" in Anhang H Kat. 7 Abs. 1 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf die Zahlung eines Verbrauchers zu dem Zweck bezieht, allein in einem zur alleinigen Nutzung überlassenen Raum, wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kabinen, einen oder mehrere Filme oder Filmausschnitte betrachten zu können.
Normenkette
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL Anhang H Kat. 7 (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG)
Sachverhalt
Ein Erotik-Center stellte gegen Entgelt eine Kabine zur Verfügung, die aus einem verschließbaren Raum besteht, in dem nur eine Person Platz findet und diese auf einem Fernsehschirm gegen Entgelt Filme betrachten kann, wobei sie die Filmprojektion durch Münzeinwurf selbst in Gang setzt, aus verschiedenen Filmen wählen und während der Zeit, für die sie das Entgelt entrichtet, die Wahl des projizierten Films fortwährend ändern kann. Ob das als "Kino" i.S.v. Anhang H Kat. 7 der 6. EG-RL anzusehen ist, war die Frage.
Entscheidung
Die Entscheidung ergibt sich ohne Weiteres aus dem Leitsatz. Die Eintrittsberechtigung für eine Einzelkabine zum Anschauen eines Films ist keine Eintrittsberechtigung für ein Kino. Aus denselben Gründen hatte der BFH bereits entschieden, dass die Ausstrahlung eines Fernsehprogramms (pay tv) keine Filmvorführung i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG ist (BFH, Urteil vom 26.01.2006, V R 70/03, BFH/NV 2006, 1033, BFH/PR 2006, 242).
Hinweis
1. Nach Anhang H ("Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt.-Sätze angewandt werden können") der 6. EG-RL können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz anwenden für die "Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, für Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen". Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, für sämtliche Leistungen einer Kategorie oder eines Begriffs des Anhangs H der 6. EG-RL den ermäßigten Steuersatz anzuwenden (vgl. BFH, Urteil vom 09.02.2006, V R 49/04, BFH/NV 2006, 1236, BFH/PR 2006, 312 und BFH, Beschluss vom 17.11.2009, XI B 2/09, BFH/NV 2010, 480). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG gilt ein ermäßigter Steuersatz für "Filmvorführungen, die nicht nach § 6 Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) gekennzeichnet sind und nicht vor dem 01.01.1970 erstaufgeführt wurden".
2. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH – und des BFH – sind die Bestimmungen, die Ausnahmen von einem allgemeinen Grundsatz darstellen, eng auszulegen. Daraus folgt, dass die Wendung "Eintrittsberechtigung für Kinos" nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung auszulegen ist. Der EuGH betont, dass den in Anhang H Kat. 7 Abs. 1 der 6. EG-RL – ebenso wie der Aufzählung in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a und b UStG – im Einzelnen aufgezählten Ereignisse und Einrichtungen insbesondere gemeinsam ist, dass sie der Öffentlichkeit aufgrund vorhergehender Bezahlung eine Eintrittsberechtigung gewähren, die alle zahlenden Personen berechtigt, gemeinsam die diesen Ereignissen und Einrichtungen eigenen kulturellen Leistungen wie auch die ihnen eigene Unterhaltung in Anspruch zu nehmen."Eintrittsberechtigung für Kinos" i.S.v. Anhang H Kat. 7 Abs. 1 der 6. EG-RL kann in Anbetracht der gewöhnlichen Bedeutung dieser Worte und des Zusammenhangs innerhalb dieser Vorschrift daher nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Zahlung eines Verbrauchers zu dem Zweck umfasst, allein in einem zur alleinigen Nutzung überlassenen Raum einen oder mehrere Filme oder Filmausschnitte betrachten zu können.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 18.03.2010, C-3/09, Erotic Center