Leitsatz
1. Der in § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG normierte Entlastungsanspruch entsteht mit dem Verbringen der begünstigten Energieerzeugnisse in einen anderen Mitgliedstaat oder mit der Ausfuhr.
2. Für Biokraftstoffe, die bis zum 17. August 2009 und damit vor dem Inkrafttreten der in § 50 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EnergieStG durch das Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen vorgenommenen Steuersatzänderung in einen anderen Mitgliedstaat verbracht oder ausgeführt worden sind, ist der Entlastungsanspruch nach der Rechtslage zu gewähren, die vor der Rechtsänderung gegolten hat. Nach diesem Zeitpunkt richtet sich die Höhe des Entlastungsanspruchs nach der gemäß der neuen Rechtslage anzunehmenden Vorversteuerung, wobei in Bezug auf die bisherige Vorversteuerung die Gewährung von Vertrauensschutz nicht in Betracht kommt.
Normenkette
§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 50 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EnergieStG, Art. 11, Art. 36 Abs. 5 EGRL 118/2008
Sachverhalt
Die Klägerin verbrachte im Zeitraum 13.7. bis 26.8.2009 insgesamt 467.013 Liter Biokraftstoff (Fettsäuremethylester), den sie nach ihren Angaben seit Mai 2009 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen vom 15.7.2009 (BGBl I 2009, 1804) erworben hatte, in einen anderen Mitgliedstaat der EU.
Das HZA gewährte hierfür eine Steuerentlastung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, für deren Berechnung es die auf den 1.1.2009 rückwirkende Rechtslage gemäß vorgenanntem Gesetz zugrunde legte. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin eine Steuerentlastung gemäß alter Rechtslage begehrte, hatten keinen Erfolg.
Das FG urteilte, das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der alten Rechtslage sei seit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 1.12.2008 (BT-Drucks. 16/11131) nicht mehr geschützt. Bereits zu Beginn des Jahres 2009 hätte ihr klar sein müssen, dass eine entsprechende Änderung der Rechtslage zu erwarten sei, und sie hätte bei der Gestaltung der Lieferverträge die geplante Gesetzesänderung berücksichtigen müssen (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.12.2013, 2 K 940/10, Haufe-Index 6996253).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH auf die Revision der Klägerin die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
Mit dem Streitfall setzt der BFH seine Rechtsprechung zum Merkmal "nachweislich versteuert" der Steuerentlastungstatbestände des Energiesteuerrechts fort.
Mit Urteil vom 20.9.2016 (VII R 7/16, BFHE 255, 360, BFH/PR 2017, 39) hat der BFH entschieden, dass der Entlastungsanspruch des § 51 Abs. 1 EnergieStG (Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren) mit der begünstigten Verwendung des von einem Lieferer gegen Rechnung bezogenen Energieerzeugnisses entsteht und nicht von der Festsetzung und Entrichtung der für das bezogene Energieerzeugnis entstandenen Energiesteuer abhängig ist.
Diese Rechtsfortbildung in dem zunehmend konfuser werdenden Energie- und Stromsteuerrecht war notwendig, um hinsichtlich der sich insoweit stellenden Verjährungsfragen zu einigermaßen sinnvollen und praktikablen Ergebnissen zu gelangen.
Der BFH hat diese Rechtsprechung nunmehr auf die Steuerentlastung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG (Steuerentlastung beim Verbringen aus dem Steuergebiet) übertragen. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich versteuerte, nicht gebrauchte Energieerzeugnisse i.S.d. § 4 EnergieStG gewährt, die zu gewerblichen Zwecken oder im Versandhandel in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sind. Entlastungsberechtigt ist nach § 46 Abs. 3 EnergieStG derjenige, der die Energieerzeugnisse aus dem Steuergebiet verbracht oder ausgeführt hat.
Nach dem vorliegenden Urteil entsteht dieser Entlastungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach mit dem Verbringen des Energieerzeugnisses aus dem Steuergebiet. Dabei ist ein Energieerzeugnis als "nachweislich versteuert" anzusehen, das der Entlastungsberechtigte (i.d.R. von einem Lieferer gegen Rechnung) versteuert bezogen hat. Die Höhe der Entlastung richtet sich nach dem jeweiligen Umfang der Vorversteuerung im Zeitpunkt der Entstehung des Entlastungsanspruchs, d.h. im Zeitpunkt des Verbringens aus dem Steuergebiet.
Die Entstehung des Entlastungsanspruchs bereits mit dem Verbringen in einen anderen Mitgliedstaat gemäß der in jenem Zeitpunkt maßgebenden Vorversteuerung hatte im Streitfall besondere Konsequenzen, da in dem Zeitraum, für den die Entlastung begehrt wurde, der Satz der Steuerentlastung für den entlastungsfähigen Biokraftstoffanteil durch eine am 18.8.2009 in Kraft getretene, jedoch mit Rückwirkung auf den 1.1.2009 versehene Gesetzesänderung erhöht worden war. Damit hatte sich die Energiesteuer für die Energieerzeugnisse des Streitfalls nachträglich verringert. Dementsprechend wollte das HZA den Entlastungsanspruch der Klägerin gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG nach dem neuen (niedrigeren) Steuersatz berechnen, während die Klägerin den alt...