Leitsatz
1. Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes bestimmt sich im Investitionszulagenrecht nach der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen, zum Zeitpunkt der Investition jeweils geltenden Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ). Nach der WZ 2003 hängt die Zuordnung eines – Bauschutt und Abbruchmaterial recycelnden – Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe oder zum Bergbau von der Weiterverwendung des sog. Outputs als Endprodukt oder als Sekundärrohstoff für die weitere industrielle Weiterverarbeitung ab.
2. Die Zuordnung eines Betriebs zu einem Wirtschaftszweig der Klassifikation durch das Statistische Landes- oder Bundesamt haben die Finanzbehörden und auch das FG in aller Regel zu übernehmen. Sie können jedoch überprüfen, ob der Zuordnung ein zutreffender Sachverhalt zugrunde liegt und ob die Zuordnung nach den richtigen Kriterien getroffen wurde (hier nach der Verwendung der hergestellten Produkte).
Normenkette
§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1999
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb 2004 einen Radlader, für den sie eine InvZul beantragte. Ihre Tätigkeit besteht überwiegend in der mechanischen Bearbeitung von Betonbruch, Naturgestein und Ziegelbruch durch Brechen, Sieben und Konditionieren mittels eines sogenannten Backenbrechers. Die Arbeiten führt sie als Lohnunternehmerin auf den Baustellen ihrer Auftraggeber aus. Die so entstandenen Kiese oder Sande können u.a. entweder als untere Tragschicht im Straßenbau oder als Zuschlagstoff für Betonfertigteile, Rohre u.Ä. verwendet werden. Außerdem verrichtet die Klägerin Abbrucharbeiten.
Ihr Betrieb war in früheren Jahren entsprechend der WZ 1993 als Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen und damit als verarbeitendes Gewerbe eingestuft worden. Auf ihre Anfrage ordnete das Landesamt für Statistik den Betrieb wiederum dem verarbeitenden Gewerbe zu. Das FA lehnte die Festsetzung der InvZul ab, weil die Entscheidung des Landesamts auf einer unvollständigen Sachverhaltsdarstellung beruhe und offensichtlich falsch sei. Was die Klägerin erzeuge, habe nicht festgestellt werden können; die Folgen der Unerweislichkeit wirkten zu ihren Lasten.
Das FG gab der Klage statt (Thüringer FG, Urteil vom 23.07.2009, 2 K 461/07, Haufe-Index 2267762, EFG 2009, 1968). Die unterlassene Differenzierung zwischen der Herstellung von Sekundärrohstoffen und Endprodukten führe zwar zu einer falschen statistischen Eingruppierung. Die Einordnung in das verarbeitende Gewerbe durch das Landesamt sei aber unter Berücksichtigung der in §§ 125, 129 AO enthaltenen Grundgedanken nicht offensichtlich falsch und daher maßgeblich.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies zurück, damit geklärt wird, inwieweit der Output der Klägerin als Enderzeugnis oder als Grundstoff für einen weiteren Verarbeitungsprozess dient. Außerdem ist zu prüfen, ob nicht der Schwerpunkt des Unternehmens im Abbruch lag, d.h. im zulagenrechtlich ebenfalls nicht begünstigten Baugewerbe.
Hinweis
1. Die InvZul für die Anschaffung und Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens hängt seit jeher sowohl dem Grund als auch der Höhe nach von der Branche ab. Begünstigt sind z.B. Investitionen durch Betriebe des verarbeitenden Gewerbes oder produktionsnaher Dienstleistungen (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a InvZulG 2007, § 2 Abs. 2 InvZulG 1999); in sensiblen Sektoren kann die Förderfähigkeit eingeschränkt oder ausgeschlossen sein (z.B. § 2 Abs. 1 S. 3 InvZulG 2007 i.V.m. Anlage 2 des InvZulG).
2. Mangels gesetzlicher Begriffsbestimmung richtet sich der BFH nach der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige und ihren amtlichen Erläuterungen; sowohl das "Verarbeitende Gewerbe" als auch die von der Förderung ausgenommenen Wirtschaftszweige werden danach abgegrenzt. Die Zuordnung eines Betriebs zum produzierenden Gewerbe für Zwecke der MinöSt richtet sich ebenfalls nach der statistischen Einordnung (BFH, Urteil vom 28.10.2008, VII R 38/07, BFH/NV 2009, 507, BFH/PR 2009, 201).
3. Die Besprechungsentscheidung konkretisiert die langjährige BFH-Rechtsprechung, dass die Finanzämter die statistische Einordnung in aller Regel zu übernehmen haben, wenn sie nicht offensichtlich falsch ist.
4. Die jeweils maßgebliche Klassifikation der Wirtschaftszweige ist danach grundsätzlich verbindlich. Tätigkeiten, die darin nicht unter dem verarbeitenden Gewerbe aufgeführt sind, sondern z.B. unter "Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden" oder Baugewerbe, könnten nur dann als verarbeitendes Gewerbe angesehen werden, wenn die Eingruppierung durch die Klassifikation selbst offensichtlich und unzweifelhaft falsch wäre (z.B. Automobilbau als "Baugewerbe"). Eine Änderung der Klassifikation schlägt damit nach Art einer dynamischen Verweisung auf das InvZulG durch. Die jeweils aktuelle Klassifikation wird praktisch als Rechtsnorm behandelt. Übrigens wird die Maßgeblichkeit der Klassifikation für die Branchenzuordnung nunmehr durch § 3 Abs. 1 S. 2 InvZulG 2010 ausdrücklich ange...