Leitsatz
1. § 2 Abs. 2 VersStG setzt die Verpflichtung voraus, Dritten gegenüber für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten. Erforderlich ist die Eingehung einer Verpflichtung gegenüber dem Dritten.
2. Die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Kautionsrückversicherung ist nicht nach § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit, wenn durch die Versicherung die Gefahr aus einem Vertrag übernommen wird, der nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag gilt.
3. Sind die Vertragsparteien irrtümlich davon ausgegangen, dass die Zahlung eines Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt, ist die Versicherungsteuer nicht in gezahlten Prämien enthalten.
Normenkette
§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 4 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 VersStG, § 7 Abs. 4 VersStG a.F., § 7 Abs. 9 VersStG i.d.F. des VerkehrStÄndG
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, unterhielt in den Jahren 2010 bis 2012 Vertragsbeziehungen zu drei anderen Versicherungsunternehmen (A, B und C). Diese hatten mit ihren Versicherungsnehmern "Kautionsversicherungsverträge" abgeschlossen. Versicherungsnehmer des A waren gemäß § 651k (später § 651r) BGB absicherungspflichtige Pauschalreiseanbieter. Die Klägerin beteiligte sich an den sich hieraus ergebenden Risiken in einem Umfang von 30 %. B hatte eine Bürgschaft zugunsten von Mitarbeitern seines Versicherungsnehmers für die Absicherung von Wertguthaben aus Altersteilzeitvereinbarungen übernommen, die diesen Mitarbeitern gegen den Versicherungsnehmer zustanden. Die Klägerin beteiligte sich an der Bürgschaft in der Weise, dass sie im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers 40 % des Schadens tragen sollte. Auch C hatte mit einem Reiseveranstalter als Versicherungsnehmer eine Reiseinsolvenzversicherung abgeschlossen. Die Klägerin verpflichtete sich gegenüber C, die sich daraus ergebenden Schäden zu circa 7,5 % zu tragen.
Darüber hinaus unterhielt die Klägerin Vertragsbeziehungen mit drei Kreditinstituten. Diese stellten ihren Kunden Avalkredite zur Verfügung. In Bezug auf diese Avalkreditverhältnisse übernahm die Klägerin eine anteilige Haftung.
Die Klägerin nahm an, dass die Zahlungen, die sie von den anderen Versicherungsunternehmen und den Kreditinstituten vereinnahmte, nicht der VersSt unterlagen. Das BZSt ging demgegenüber davon aus, dass eine VersSt-Pflicht bestehe, und sah die von der Klägerin vereinnahmten Zahlungen als Versicherungsentgelt an.
Das FG (FG Köln, Urteil vom 16.2.2022, 2 K 588/19, Haufe-Index 15411906) gab der Sprungklage teilweise statt. Es bejahte die VersSt-Pflicht. Mit allen Vertragspartnern sei jeweils ein Versicherungsvertrag zustande gekommen, da die Klägerin keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen zu den Kunden ihrer Vertragspartner eingegangen sei. Bei den Verträgen zwischen den Kunden und den anderen Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten habe es sich nicht um Versicherungsverträge i.S.d. § 1 Abs. 1 VersStG gehandelt, da sie unter § 2 Abs. 2 VersStG fielen, sodass mangels steuerbarer Erstversicherung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 VersStG nicht erfüllt seien. Die Klage hatte jedoch Erfolg, soweit sie die Höhe der festgesetzten VersSt betraf. Insoweit vertrat das FG die Ansicht, dass die VersSt den vereinnahmten Versicherungsentgelten nicht hinzugerechnet werden dürfe, sondern aus den vereinnahmten Versicherungsentgelten herauszurechnen sei. Hiergegen legten Klägerin und FA Revision ein.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil des FG insoweit, als es die Zahlungen an die Klägerin zu Recht als nach § 1 Abs. 1 VersStG steuerbar angesehen hat. Das erforderliche Versicherungsverhältnis liege vor, da die Fiktion des § 2 Abs. 2 VersStG nicht eingreife. Zudem komme die Anwendung einer Steuerfreiheit nicht in Betracht. Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG insoweit auf, als es der Klage stattgegeben hatte, und wies die Klage ab, da das FG zu Unrecht angenommen hatte, dass in den an die Klägerin gezahlten Entgelten die VersSt enthalten war.
Hinweis
1. Wesentliches Merkmal für ein Versicherungsverhältnis i.S.d. § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer (aufgrund eines Versicherungsvertrages) gegen Entgelt übernommenen Wagnisses. Allerdings gilt ein Vertrag, durch den sich ein Versicherer verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten, nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag. Es fehlt dann an einem steuerbaren Versicherungsverhältnis.
2. § 2 Abs. 2 VersStG setzt die Verpflichtung des Versicherers voraus, Dritten gegenüber für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten.
a) Die Vorschrift erfasst die Verpflichtung zum Abschluss eines Vertragsverhältnisses mit einem Dritten, bei dem es sich um den Gläubiger des Versicherungsnehmers handelt.
b) Nicht anzuwenden ist die Vorschrift demgegenüber auf die Verpflichtung zur Erstattung eines bei einem Erstversicherer entstehenden Ausfalls.
c) Fol...