Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Ein in Österreich im Jahr 2003 erzielter Verlust ist nicht aus europarechtlichen Gründen ohne Durchführung eines Verfahrens nach § 10d Abs. 4 S. 1 EStG im Rahmen der ESt-Veranlagung für das Jahr 2004 zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 10d Abs. 4 S. 1 EStG
Sachverhalt
Frau K lebte 2003 in Österreich und war dort als Unternehmensberaterin tätig. Sie erzielte daraus einen Verlust aus Gewerbebetrieb i.H.v. 21 000 EUR, der zu einem negativen Einkommen führte.
Ende 2003 zog sie nach Deutschland zurück und war von 2004 an ausschließlich hier als selbstständige Unternehmensberaterin tätig. Sie erklärte für das Jahr 2004 positive Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und machte im Rahmen der Veranlagung zugleich – erfolglos – den Verlust aus Österreich aus dem Jahr 2003 geltend. Ihre Klage wurde abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.04.2009, 13 K 22/07, Haufe-Index 2255844, EFG 2009, 2039).
Entscheidung
Der BFH wies auch die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen gegebenen Hinweisen zurück.
Hinweis
Erzielt eine deutsche Staatsangehörige in Österreich 2003 negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb, fragt sich, ob sie diese qua Verlustabzug bei ihrer ESt-Veranlagung im Jahr 2004 geltend machen kann.
1. Die deutsche ESt ist eine Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 S. 1 und 2 EStG). Die periodenübergreifende Verlustberücksichtigung ist materiell-rechtlich wie verfahrensrechtlich in § 10d EStG geregelt. Gem. § 10d Abs. 4 S. 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Der Verlustfeststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) für den ESt-Bescheid, sodass im Veranlagungsverfahren zur ESt nur solche Verluste aus anderen Veranlagungszeiträumen berücksichtigt werden können, die gesondert festgestellt sind.
2. Über die materiell-rechtliche Abziehbarkeit des in Österreich 2003 erzielten Verlusts im Jahr 2004 ist in dem Verfahren zu entscheiden, das das nationale Recht hierfür vorsieht, d.h. im Verfahren nach § 10d EStG. Auch europarechtlich hat nationales Verfahrensrecht Vorrang (EuGH, Urteil vom 12.10.2000, C-480/98, Slg. 2000, I-8717). Nach § 10d EStG allein richtet es sich, ob ein Verlustfeststellungsbescheid ergehen darf, der die genannten ausländischen Verluste enthält. Diese Entscheidung kann keinesfalls in der ESt-Veranlagung getroffen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.02.2010 – IX R 57/09