Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Es besteht keine übermäßige Ungleichbehandlung zu Lasten der Bestandspensionäre durch die gesetzliche Ausgestaltung des Übergangs zur vollen nachgelagerten Besteuerung, weil der Gesetzgeber den Gedanken des Vertrauensschutzes nicht nur einseitig zu Gunsten der Bestandsrentner angewendet hat.
Sachverhalt
Die Kläger sind Ehegatten und leben in Frankreich. Der Kläger bezieht als Beamter im Ruhestand seit 1993 Versorgungsbezüge (Pension). Die Klägerin ist Rentnerin und erhält seit 1996 Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung. 2011 gaben die Kläger nach entsprechender Aufforderung durch das Finanzamt ihre Einkommensteuererklärungen ab und beantragten die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach den §§ 1a, 1 Abs. 3 EStG. Die Versorgungsbezüge des Klägers erklärten die Kläger jeweils auf der Anlage R als Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Finanzamt erfasste für die Jahre 2005 bis 2008 die Versorgungsbezüge entsprechend den vorliegenden Lohndaten als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und setzte die Freibeträge für Versorgungsbezüge i. H. v. jeweils 3.900 EUR und Werbungskosten für Versorgungsbezüge i. H. v. 102 EUR ab. Im Übrigen veranlagte das Finanzamt gemäß Erklärung. Mit dem erfolglosen Einspruch machen die Kläger geltend, dass die Besteuerung der Ruhestandsbezüge des Klägers fehlerhaft sei. Entsprechend dem ab 1.1.2005 anwendbaren Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) sei ein Besteuerungsanteil von maximal 50 % vorgesehen. Dies sei auch bei bereits vor dem Jahr 2005 gewährten Ruhestandsbezügen der Fall.
Entscheidung
Vor Gericht hatten die Kläger keinen Erfolg. Das Finanzamt habe die Kläger zutreffend als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, obwohl sie ihren Wohnsitz in Frankreich haben. Auf Antrag werden nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG in der Fassung der Jahre 2005 bis 2008 auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i. S. v. § 49 haben. Dies gelte nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG in der Fassung der Jahre 2005 bis 2007 nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 6.136 EUR im Kalenderjahr betragen. Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG in der Fassung des Jahres 2008 gilt dies nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 nicht übersteigen. Im Streitfall liege somit die Voraussetzung dafür vor, die Kläger als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln.
Hinweis
Das BVerfG gab dem Gesetzgeber in der Entscheidung vom 6.3.2002, BStBl 2002 II S. 618) auf, i. R. d. gebotenen Neuregelung die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Hierbei billigte das BVerfG dem Gesetzgeber einen zwar nicht unbegrenzten, aber doch weiten gesetzlichen Spielraum zu. Der Gesetzgeber vollzog als Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG einen Systemwechsel, indem er die Ertragsanteilsbesteuerung der Renten aufgab und für Renten und Pensionen eine nachgelagerte Besteuerung, das heißt eine Besteuerung in der Bezugsphase, einführte. Die volle nachgelagerte Besteuerung tritt durch das AltEinkG aber erst im Jahr 2040 ein. Bis dahin schuf der Gesetzgeber eine Übergangsregelung, die eine teilweise Besteuerung der Renten dergestalt vorsieht, dass der Besteuerungsanteil der Renten beginnend mit 50 % bei Bestandsrentnern schrittweise je nach dem Jahr des Rentenbeginns angehoben wird, bis für im Jahr 2040 mit der Rente beginnende Personen eine volle Besteuerung von 100 % gilt. Der vom Gesetzgeber mit dem AltEinkG eingeführte Systemwechsel mit dem für die Bestandsrentner seit dem 1.1.2005 normierten Steuersatz von 50 % schränkt die vom BVerfG festgestellte Ungleichbehandlung ein, beseitigt sie aber nicht gänzlich (so auch FG Köln, Urteil v. 26.8.2010, 1 K 1557/08, DStRE 2011, S. 796; Rev. eingelegt, Az beim BFH VI R 83/10). Angesichts eines Anteils steuerlich nicht belasteter Beiträge von ca. 70 % verbleibt bei nachgelagerter hälftiger Besteuerung weiterhin ein Anteil von ca. 20 % der Rentenauszahlungen endgültig steuerfrei. Die Pensionen sind hingegen weiterhin in voller Höhe zu versteuern. Auch der den Bestandspensionären nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und 3 EStG gewährte Versorgungsfreibetrag samt Zuschlag von jährlich insgesamt maximal 3.900 EUR dürfte i. d. R. nicht zu einer vollständigen Abschmelzung dieser Divergenz und zur Herstellung einer identischen Steuerbelastung im Vergleich zu Rentnern führen. Diese für Bestandsrentner und -pensionäre in abgemilderter Form als b...