Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Werden Anteile an einer im Jahr 2001 gegründeten unbeschränkt steuerpflichtigen GmbH im Jahr 2001 veräußert und fließen dem Anteilseigner hieraus gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG steuerbare Einnahmen im Jahr 2002 zu, so unterliegen diese dem Halbeinkünfteverfahren.
Normenkette
§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3. EStG
Sachverhalt
Wie schon erwähnt geht es um einen Anteilseigner K an einer im Jahr 2001 gegründeten GmbH, die ein Call-Center für eine Betriebskrankenkasse betrieb. Bereits im Jahr 2001 veräußerte K seine Anteile an Mitgesellschafter und erhielt dafür einen Kaufpreis, der in wesentlichen Teilen erst 2002 ausgezahlt worden war, weil sich der Preis (auch) nach der Geschäftstätigkeit der GmbH in diesem Jahr bemaß.
Das FA unterwarf den Kaufpreis in voller Höhe der Besteuerung; das FG beurteilte ihn zur Hälfte als steuerfrei (FG Hamburg, Urteil vom 29.10.2008, 1 K 190/06, Haufe-Index 2119668, EFG 2009, 642).
Entscheidung
Diesem Ergebnis folgte auch der BFH, nur begründete er sein Ergebnis viel einfacher direkt aus dem Wortlaut der Anwendungsvorschrift.
Hinweis
Man kann alles komplizierter machen, als es ohnehin schon ist. Hier hatte der Anteilseigner einer 2001 gegründeten Call-Center-GmbH seine Anteile im selben Jahr wieder veräußert und der Kaufpreis floss ihm (z.T.) im Jahr 2002 zu. Das FG bejahte die Anwendbarkeit des Halbeinkünfteverfahrens, das sich nach dem obligatorisch wirksamen Vertrag bestimme. Der Zufluss sei kein geeigneter Anknüpfungspunkt. Dann hätte aber die GmbH zu keinem Zeitpunkt dem Anrechnungsverfahren unterlegen – und deshalb sei hier das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden.
Man muss diese Begründung im Hinterkopf haben, um überhaupt das Problem zu erkennen, auf das dieses Urteil eine Antwort ist. Im Grunde ist die Lösung aber ganz einfach:
1. Die Anteilsveräußerung war im Jahr 2002 (nur darum ging es hier) nach dem gegenüber § 17 EStG vorrangigen § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbar, denn ein Teil des Kaufpreises floss der Anteilseignerin in diesem Zeitraum zu (§ 8 Abs. 1 EStG).
2. Der unstreitige Veräußerungsgewinn, der auf das Jahr 2002 entfiel, war zur Hälfte steuerfrei. § 3 Nr. 40 Buchst. j EStG, der dies anordnet, ist anwendbar. Denn nach § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG gilt das Halbeinkünfteverfahren erstmals für Veräußerungserträge nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft, für welchen das (neue) KStG erstmals anzuwenden ist. Das erste Wirtschaftsjahr war 2001 (§ 34 Abs. 1 KStG). Also war der in 2002 zugeflossene Teil des Kaufpreises zur Hälfte steuerfrei.
3."Ertrag" i.S.d. Anwendungsregelung ist der im Jahr 2002 zugeflossene Kaufpreis und nicht etwa ein schon 2001 entstandener Gewinn. Denn Einnahmen liegen im Überschusseinkünftebereich nach § 8 Abs. 1 EStGerst mit Zufluss vor. Die Übergangsregelung stellt mit "Ertrag"nicht auf die Veräußerung, sondern auf den daraus fließenden Kaufpreis ab.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.11.2009 – IX R 57/08