Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Deklarieren Kläger ihre Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus ihrer Arztpraxis in ihrer Gewinnfeststellungserklärung in zutreffender Höhe, geben sie in der zeitgleich abgegebenen Einkommensteuererklärung die Einkünfte der Klägerin aber nur in hälftiger Höhe an, kann darin eine leichtfertige Steuerverkürzung liegen.
Normenkette
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 169, § 150 Abs. 2, § 153, § 155 Abs. 2, § 378 AO
Sachverhalt
Ein Arztehepaar, das seine Arztpraxis in Form einer GbR betreibt, gab in der Gewinnfeststellungserklärung den Gewinn der Arztpraxis mit 446.249 DM an und teilte ihn hälftig auf.
In der Einkommensteuererklärung verwiesen die Kläger in der Anlage GSE auf die gesonderte Feststellung durch Angabe der dortigen Steuernummer; die Einkünfte des Klägers bezifferten sie zutreffend mit 223.124 DM, die der Klägerin indes nur mit 112.125 DM. Das FA übernahm diesen Fehler und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid. Den etwa zeitgleich ergangenen zutreffenden Feststellungsbescheid wertete das FA zunächst nicht aus, weil es ihm keine Auswirkungen beimaß. Nachdem dem FA später der zu niedrige Gewinnanteil der Klägerin aufgefallen war, änderte es den Einkommensteuerbescheid des Ehepaars entsprechend. Zu diesem Zeitpunkt war die normale Festsetzungsfrist von vier Jahren bereits abgelaufen. Das FA ging hingegen von einer fünfjährigen Festsetzungsfrist aus, weil es eine leichtfertige Steuerverkürzung als gegeben ansah.
Das FG gab der Klage statt (FG München, Urteil vom 10.6.2011, 8 K 1016/08, Haufe-Index 2755380, EFG 2011, 2123): Das FA hätte aufgrund der zutreffenden Feststellungserklärung der Steuerpflichtigen vor Beginn der regulären Festsetzungsfrist die Steuer in zutreffender Höhe festsetzen können und müssen. Mit der gesonderten Feststellung sei für den Ansatz der Einkünfte der Klägerin allein der Feststellungsbescheid maßgebend geworden, der die Beteiligungseinkünfte zutreffend festgestellt habe. Die Auswertung der gesonderten Feststellung habe allein dem FA oblegen.
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Die reguläre Festsetzungsfrist habe sich wegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung auf fünf Jahre verlängert, sodass der Änderungsbescheid noch rechtmäßig habe ergehen können.
Zwar hätten die Kläger die Einkünfte des Ehemanns zutreffend benannt, diejenigen der Ehefrau indes nur in hälftiger Höhe. Das FA habe diese Beträge bei der Veranlagung übernommen. Die fehlerhaften Angaben in der Einkommensteuererklärung seien damit ursächlich für die zu niedrig festgesetzten, d.h. verkürzten Steuern gewesen.
Die Kläger, die an der von ihnen betriebenen ärztlichen Gemeinschaftspraxis hälftig beteiligt waren, hätten diesen Fehler bei der Unterzeichnung ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung, spätestens aber nach Erhalt des Einkommensteuerbescheids bemerken und korrigieren müssen. Sie seien zwar steuerrechtlich nicht vorgebildet. Als Akademiker, die seit mehreren Jahren eine ärztliche Gemeinschaftspraxis betreiben, hätte sich ihnen aber die Frage aufdrängen müssen, weshalb der in der Einkommensteuererklärung der Kläger ausgewiesene Gewinnanteil der Klägerin von ihrem Gewinnanteil, der in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung angegeben war, erheblich abwich. Da sie diese gravierende Abweichung hingenommen und die Steuererklärung gleichwohl unterzeichnet und in den Verkehr gegeben hätten, ohne sich bei ihrem steuerlichen Berater oder beim FA nach dem Grund der Abweichung zu erkundigen, hätten sie die ihnen obliegende Sorgfalt in erheblichem Umfang verletzt und eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S.d. § 378 AO begangen.
Hinweis
1. Gem. § 150 Abs. 2 AO sind die Angaben in den Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Auch wenn die an den Steuerpflichtigen gestellten Kontrollanforderungen nicht überspannt werden dürfen, muss doch der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt walten lassen.
2. Für Freiberufler, die an einer GbR beteiligt sind, z.B. in einer Gemeinschaftspraxis zusammengeschlossene Ärzte, folgt daraus: Die Steuerpflichtigen, die sowohl eine Feststellungserklärung als auch eine Einkommensteuererklärung abgeben müssen, sind verpflichtet, die Stimmigkeit beider Erklärungen wenigstens überschlägig zu prüfen. Ergeben sich grobe Unstimmigkeiten dergestalt, dass die Angaben in den verschiedenen Erklärungen einander widersprechen oder jedenfalls nicht miteinander vereinbar sind, so müssen die Steuerpflichtgen ihre Steuererklärungen insoweit überprüfen und ggf. richtigstellen.
3. Wenn die Steuerpflichtigen hingegen gravierende Abweichungen zwischen der Feststellungs- und der Einkommensteuererklärung hinnehmen und die Steuererklärungen gleichwohl unterzeichnen und in den Verkehr geben, ohne sich bei ihrem steuerlichen Berater oder beim FA nach dem Grund der Abweichung zu erkundigen, verletzen sie die ihnen obliegende Sorgfalt in erhe...