Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Die Nichtabführung von Lohnsteuer verletzt im Allgemeinen ohne Weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, dass die Steuer aus den von ihm verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden konnte. Auch bei schwerer Erkrankung bleiben die Pflichten eines Geschäftsführers bestehen.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um den Geschäftsführer einer GmbH (Geschäftsführer zu 1), der zusammen mit einem Gesellschafter einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH war. Das Finanzamt nahm beide Geschäftsführer wegen nicht ordnungsgemäßer Abführung der Lohnsteuer bei Vollauszahlung der Löhne nach § 69 AO in Haftung. Hiergegen machte der Geschäftsführer zu 1 im Einspruchsverfahren geltend, er sei im Haftungszeitraum aufgrund einer Verletzung nicht arbeitsfähig gewesen. Außerdem habe die finanzielle Leitung der Gesellschaft einschließlich der Überwachung der steuerlichen Pflichten nach der internen Aufgabenverteilung, welche jedoch nicht schriftlich festgehalten worden sei, dem Geschäftsführer zu 2 oblegen.
Entscheidung
Das FG ließ dies jedoch nicht gelten und wies die Klage ab. Der Geschäftsführer zu 1 war im Haftungszeitraum Geschäftsführer der GmbH im Sinne des § 35 GmbHG. Er hatte somit als deren gesetzlicher Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern der Gesellschaft aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Durch die Nichtabführung der fälligen Lohnsteuer zuzüglich Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag hatte er seine aus § 34 Abs. 1 AO resultierenden Pflichten als Geschäftsführer der GmbH verletzt, was eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers im Sinne der §§ 34, 69 AO darstellt. Auch der Hinweis auf eine interne Aufgabenverteilung hinsichtlich der Geschäftsführung konnte die Haftungsinanspruchnahme nicht verhindern. Zwar kann grundsätzlich bei einer Verteilung der Geschäfte einer GmbH auf mehrere Geschäftsführer die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH im Sinne des § 34 Abs. 1 AO begrenzt werden. Dies erfordert aber eine vorweg getroffene eindeutige, d. h. schriftliche, Vereinbarung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist, damit nicht im Haftungsfalle jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit eines anderen verweist. Fehlt es an einer solchen schriftlichen Vereinbarung, hat jeder Geschäftsführer nach dem Grundsatz der Gesamtverantwortung sämtliche steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Dem Einwand des Geschäftsführers zu 1, man könne ihn aufgrund seiner ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht in Haftung nehmen, folgte das FG ebenfalls nicht. Denn selbst bei einer schweren Erkrankung bleibt der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten steuerlichen Pflichten übertragen hatte, laufend und sorgfältig zu überwachen und sich so eingehend über den Geschäftsgang zu unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfts rechnen kann. Ein mangelhaftes Überwachen stellt regelmäßig eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar. Diese Grundsätze sind nach Auffassung des FG auch auf die Überwachung eines Mitgeschäftsführers anzuwenden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie im Streitfall, konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieser nicht ausreichend für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft Sorge trägt.
Hinweis
Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass insbesondere die nicht oder nicht ordnungsgemäß abgeführte Lohnsteuer zu einer absoluten "Haftungsfalle" für den oder die Geschäftsführer einer GmbH führt, die selbst bei Erkrankung nicht entschuldbar ist. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, kann eine Inanspruchnahme sämtlicher Geschäftsführer im Wege der Gesamtverantwortung nur durch eine schriftliche klare und eindeutige Abgrenzung der jeweils zu erfüllenden Pflichten vermieden werden.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 17.02.2021, 7 K 63/19 L