Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Betrifft ein Rechtsstreit über Umsatzsteuer zwei Streitjahre und hat der Streitfall i.S.v. § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG offensichtlich absehbare Auswirkungen für nachfolgende Streitjahre, so ist die in dieser Vorschrift vorgesehene Erhöhung des Streitwerts auf das Dreifache des durchschnittlichen Streitwerts für die anhängigen beiden Streitjahre begrenzt.
Normenkette
§ 52 Abs. 3 Satz 2, § 63 Abs. 2 GKG
Sachverhalt
Die T‐GmbH führte sonstige Leistungen in Gestalt der Ausgabe von Mahlzeiten an ihre Arbeitnehmer aus, die hierfür einen Preis bezahlten, der sowohl unter dem marktüblichen Entgelt als auch unter den Selbstkosten der T‐GmbH lag. Die T-GmbH versteuerte diese Leistungen in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Besteuerungszeiträume 2006 und 2007 (Streitjahre) und die Folgejahre (2008 bis 2011) nur mit den von ihren Arbeitnehmern für die Mahlzeiten gezahlten Entgelten. Das FA setzte dagegen hierfür gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG die Selbstkosten an.
Während des anschließenden Rechtsstreits vor dem FG wegen Umsatzsteuer 2006 und 2007 ruhten die von der Klägerin eingelegten Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2008 bis 2011, die ebenfalls die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Mahlzeitengewährung betrafen, im Hinblick auf den Ausgang des Rechtsstreits gemäß § 363 Abs. 2 Satz 1 AO.
Das FG gab der Klage teilweise statt und setzte als Bemessungsgrundlage für die Ausgabe der Mahlzeiten anstelle der vom FA zugrunde gelegten Selbstkosten nur das – über den bisher versteuerten Preisen liegende – marktübliche Entgelt an; im Übrigen wies es die Klage ab. Die Entscheidung ist in EFG 2013, 2046 veröffentlicht.
Gegen das Urteil des FG legte (nur) das FA im September 2013 die vom FG zugelassene Revision ein und beantragte, das Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Nachdem das FA die Revision zurückgenommen hatte, stellte der Senat das Revisionsverfahren (Aktenzeichen XI R 37/13) ein und entschied, das FA habe die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Mit dem vorliegenden Antrag begehrten die Klägerin und deren Prozessbevollmächtigte für das Revisionsverfahren XI R 37/13 die Festsetzung eines nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG erhöhten Streitwerts i.H.v. 144.601,14 EUR.
Entscheidung
Der BFH setzte den Streitwert auf 60.690,51 EUR fest.
Nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG wäre im Streitfall für das Revisionsverfahren ein Streitwert von 40.460,33 EUR festzusetzen; dieser Streitwert sei aber gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG auf 60.690,51 EUR zu erhöhen.
Im finanzgerichtlichen Verfahren habe ein Antrag dann i.S.v. § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG"offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte", wenn ohne umfangreiche Prüfung oder aufwändige Überlegungen, also auf den ersten Blick, erkennbar sei, dass der konkret verwirklichte Sachverhalt auch die Höhe zukünftiger Steuerfestsetzungen beeinflusst.
Das sei hier der Fall. Es sei angesichts der ruhenden Einspruchsverfahren für die Folgejahre auf den ersten Blick anhand der vorliegenden Akten erkennbar, dass zum Zeitpunkt der Revisionseinlegung offensichtlich absehbare Auswirkungen auf die Höhe der festzusetzenden Umsatzsteuer in den auf die Streitjahre 2006 und 2007 folgenden Besteuerungszeiträumen bestanden.
Nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG dürfe jedoch die Erhöhung um die Summe der offensichtlich absehbaren Auswirkungen "das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen". Das bedeute für den Streitfall, dass die Erhöhung des Streitwerts auf das Dreifache des durchschnittlichen Streitwerts der Streitjahre 2006 und 2007 begrenzt sei.
Hinweis
Für den Streitwert im finanzgerichtlichen Verfahren bestimmen § 52 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GKG:
"Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf."
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 17.8.2015 – XI S 1/15