Leitsatz
1. Eine von einem Bundesland eingerichtete sog. "Milchquoten-Verkaufsstelle", die Anlieferungs-Referenzmengen an Milcherzeuger überträgt, handelt bei dieser Tätigkeit nicht als Unternehmer im Sinn des Umsatzsteuerrechts.
2. Sie ist nicht verpflichtet, in der Rechnung über die Übertragung der Anlieferungs-Referenzmengen Umsatzsteuer gesondert auszuweisen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 11, § 14 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 4 UStG 1999, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Anhang D Nr. 7, Anhang D Nr. 12 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Landwirt in Bayern erwarb zur Vermeidung der Zusatzabgabe für seine überschüssige Milch im gesetzlich geregelten "regulierten" Verfahren eine Milchquote von der als Verkaufsstelle bestimmten Landesanstalt und wollte eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer. Das FG (FG München, Urteil vom 13.05.2004, 14 K 3814/02, Haufe-Index 1205214, EFG 2004, 1726) bestätigte ihn.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Die Gründe ergeben sich im Wesentlichen aus den Praxis-Hinweisen. Der BFH teilte nicht die Auffassung des Klägers, V sei Vermittler. Denn als Vermittler handelt nicht, wer – wie hier V – im eigenen Namen handelt. Auch die Anwendung des § 3 Abs. 11 UStG (Leistungskommission) schied aus, weil dies vorausgesetzt hätte, dass V als Unternehmer handelt. Dies war nicht der Fall.
Hinweis
Der fehlende Güterwettbewerb auf dem gemeinschaftsrechtlich regulierten Agrarmarkt trägt auch steuerrechtliche Blüten.
Die zur Drosselung der Milcherzeugung erhobene Zusatzabgabe für die wiederum gemeinschaftsrechtlich definierte Überproduktion kann durch den Erwerb einer zusätzlichen Milchquote vermieden werden. Das Verfahren hierzu ist reguliert: Aus der Summe der Verkaufs- und Kaufangebote zu einem bestimmten Stichtag ermittelt die Verkaufsstelle (V) den "Gleichgewichtspreis" und verteilt die entsprechenden Angebote nach Abzug von X % zur Einstellung in die nationale Reserve an die entsprechenden Bieter.
Fraglich war, ob die (in Bayern) staatliche Verkaufsstelle als Unternehmer handelt. Dies war vor allem deswegen von Bedeutung, weil in anderen Bundesländern auch privaten Unternehmern die Aufgaben zugewiesen werden können. Auf eine entsprechende Frage des BFH (Beschluss vom 13.07.2006, V R 40/04, BFH/PR 2006, 27) hatte der EuGH geklärt, dass eine Milchquoten-Verkaufsstelle weder eine landwirtschaftliche Interventionsstelle noch eine Verkaufsstelle (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nrn. 7 und 12 der 6. EG-RL) sei. Auch könne die Behandlung einer Milchquoten-Verkaufsstelle als Nicht-Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausübt oder Leistungen erbringt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. Im Streitfall, der Gegenstand der EUGH-Vorlage war, kam im relevanten Markt, dem betreffenden Übertragungsbereich (hier: Bayern), eine Konkurrenz mit privaten Verkaufsstellen nicht in Betracht, weil nach der Regelung in Bayern keine privaten Verkaufsstellen vorgesehen sind.
Für die Abgrenzung Unternehmer oder Tätigkeit im Rahmen öffentlich-rechtlicher Gewalt (Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL bzw. Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL) ist allein entscheidend, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts aufgrund öffentlich-rechtlicher Sonderregelung tätig wird. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich um "die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben handelt, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und bei denen es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist".
V handelte aufgrund öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen (§§ 8ff. ZAV). Denn die Bescheinigung über den Übergang einer Anlieferungs-Referenzmenge ist ein feststellender Verwaltungsakt und ausdrücklich den zuständigen Verkaufsstellen als Verwaltungszuständigkeit zugewiesen (§ 8 Abs. 1, § 8 Abs. 3, §§ 9 bis 11 ZAV); an sie knüpfen sich im Einzelnen geregelte Rechtsfolgen. Die in der Bescheinigung getroffene Feststellung über die Übertragung einer Anlieferungs-Referenzmenge ist für die Molkerei des Nachfragers (des Milcherzeugers) und die Behörden bindend.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 03.07.2008, V R 40/04