Leitsatz
1. § 4 Nr. 28 UStG steht im Einklang mit dem Unionsrecht.
2. Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe "verwendet" in § 4 Nr. 28 UStG und "bestimmt" in der deutschen Fassung des Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG stellt keinen sachlichen Unterschied dar.
3. Der Zweck des § 4 Nr. 28 UStG gebietet es, Veräußerungsumsätze steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung der veräußerten Gegenstände ausgeschlossen war.
Normenkette
§ 4 Nr. 28, § 4 Nr. 16 Buchst. b, § 14c, § 15a Abs. 1 und 2 UStG, Art. 13 Teil B Buchst. c, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), Art. 136 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin erbrachte als Klinikbetreiber überwiegend steuerfreie Umsätze. Im Jahr 2003 erwarb die Klägerin mehrere medizinische Geräte und eine Telefonanlage. Einen Vorsteuerabzug aus dem Erwerb machte die Klägerin nicht geltend. Die medizinischen Geräte und die Telefonanlage wurden in der Folgezeit im Klinikbetrieb eingesetzt. Dabei wurde die Nutzung der Telefonanlage gegen Entgelt auch Patienten gestattet.
Im Streitjahr veräußerte die Klägerin im Rahmen eines Sale-and-lease-back-Geschäfts die 2003 erworbenen medizinischen Geräte und die Telefonanlage an die A-GmbH und wies in Rechnungen vom 10.3.2004 die Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 78.064,30 EUR gesondert aus. Mit Verträgen vom 15. und 16.3.2004 leaste die Klägerin die medizinischen Geräte und die Telefonanlage von der A-GmbH zurück. Auf die Leasingraten entrichtete sie die gesetzliche Umsatzsteuer.
Darüber hinaus veräußerte die Klägerin im Streitjahr zwei ältere medizinische Geräte, aus deren Erwerb sie ebenfalls keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte, mit jeweils offenem Umsatzsteuerausweis in Höhe von 275,86 EUR bzw. 413,79 EUR.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2004) behandelte die Klägerin die Veräußerungen der 2003 erworbenen medizinischen Geräte und der beiden Altgeräte (medizinische Geräte) sowie der Telefonanlage als steuerpflichtige Umsätze und nahm gleichzeitig eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG vor, weil sich durch die Lieferung die umsatzsteuerlichen Verhältnisse geändert hätten.
Dem folgte das FA nicht und behandelte die Lieferungen als gemäß § 4 Nr. 28 UStG steuerfreie Umsätze, weil die medizinischen Geräte und die Telefonanlage zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich für eine steuerbefreite Tätigkeit i.S.v. § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG verwendet worden seien. Die in den Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer setzte das FA nach § 14c UStG fest und lehnte eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG ab.
Das FG wies die Klage ab (FG Hamburg, Urteil vom 4.2.2015, 2 K 325/14, Haufe-Index 7708566).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zwar habe das FG zu Recht entschieden, dass hinsichtlich der medizinischen Geräte und der Altgeräte die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht vorliegen, weil im Jahr 2004 eine steuerfreie Lieferung erfolgt ist und das FA insofern zu Recht einen unberechtigten Umsatzsteuerausweis gemäß § 14c UStG angenommen hat.
Das FG habe aber zu Unrecht angenommen, dass auch hinsichtlich der Telefonanlage die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nicht erfüllt sind. Der BFH konnte insoweit nicht durchentscheiden, weil im Hinblick auf die Telefonanlage nicht nur eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG vorzunehmen ist, sondern auch die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin durch die Nutzungsüberlassung an die Patienten der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Hierzu waren Feststellungen nachzuholen.
Hinweis
1. Lieferungen sind nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei, wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach § 4 Nrn. 8 bis 27 UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet hat. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 136 MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die ausschließlich für eine von der Steuer befreite Tätigkeit bestimmt waren, wenn für diese Gegenstände kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte. Zwischen der Verwendung im nationalen Recht und der Bestimmung im Unionsrecht sieht der BFH keinen Unterschied. Der BFH geht dabei davon aus, dass es Sinn und Zweck der Steuerfreiheit gebieten, Lieferungen steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung der veräußerten Gegenstände nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen war.
2.§ 4 Nr. 28 UStG kann sich bei Sale-and-lease-back-Transaktionen als nachteilig erweisen. Erwirbt z.B. ein Unternehmer Gegenstände für seine nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Heilbehandlungstätigkeit, steht ihm kein Recht auf Vorsteuerabzug zu (§ 15 Abs. 2 UStG). Ein Sale-and-lease-back in Bezug auf diese Gegenstände erweist sich dann umsatzsteuerrechtlich als fatal. Denn der "sale" führt dann zu einer nach § 4 Nr. 28 UStGsteuerfreien Lieferung. Die nachfolgende Rückanmietung ("lease") ist mangels...