Dr. Fabian Schmitz-Herscheidt
Leitsatz
Eine Verletzung des Steuergeheimnisses liegt nicht vor, wenn (Roh‐)Gewinndaten und Vertriebskosten des Bauträgers von zu sanierenden Wohnungen für die korrekte Berechnung der Absetzung für Abnutzung gemäß den §§ 7h und 7i des Einkommensteuergesetzes in einem Prüfungsbericht dargestellt werden und deshalb die Erwerber der Wohnungen und Feststellungsbeteiligten von diesen Daten Kenntnis erlangen könnten.
Normenkette
§ 30 Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1, § 202 AO, § 7h, § 7i EStG
Sachverhalt
Die Klägerin war eine Bauträgerin, die mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke ankaufte, in Wohneigentum aufteilte, sanierte und die Wohnungen weiterverkaufte. Mit den Erwerbern schloss sie Verträge, welche den Kauf und die Modernisierung zum Gegenstand hatten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge hatte die Klägerin jeweils bereits mit der Sanierung der Wohnungen begonnen.
In den Verträgen wurde der Kaufpreis jeweils aufgeteilt auf Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungs- und Modernisierungskosten. Die letztgenannten Preisbestandteile sollten die Bemessungsgrundlage für die AfA der Erwerber der Wohnungen gemäß § 7i EStG (Baudenkmale) sein. Als steuerliches Verfahren war eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 1, 3 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO durchzuführen. Die Klägerin reichte hierzu Feststellungserklärungen beim FA ein.
In einer späteren Außenprüfung beanstandete der Prüfer die Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage, weil der Sanierungs- und Modernisierungsaufwand nicht anteilig für die Zeit nach Abschluss der jeweiligen notariellen Verträge zugrunde gelegt worden war. Zur Berechnung der korrekten AfA-Bemessungsgrundlage nahm der Prüfer eine Aufteilung vor und legte im Prüfungsbericht den gesamten Sanierungsaufwand, die Vertriebskosten und den Rohgewinn der Bauträgerin dar. Daraus ergab sich die Gefahr, dass die Erwerber der Wohnungen die im Prüfungsbericht offengelegten Zahlen erfahren könnten, weil ihnen der Prüfungsbericht gemäß § 202 Abs. 2 AO zugesandt werden oder weil sie Einspruch gegen geänderte Feststellungsbescheide einlegen und Akteneinsicht beantragen könnten. Die Klägerin sah darin eine Verletzung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abs. 2 AO.
Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2018, 4 K 3174/16) wies die dagegen gerichtete vorbeugende Unterlassungsklage ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision gegen das FG-Urteil als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Die statthafte Klage für die Prüfung, ob eine behauptete Verletzung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abs. 2 AO besteht und ob die Einwendungen des FA, das sich auf die Befugnis zur Offenbarung nach § 30 Abs. 4 AO beruft, begründet sind, ist die (vorbeugende) Unterlassungsklage als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage.
2. Die Auswertung von Geschäftsdaten einer Bauträgerin hinsichtlich des Rohgewinns mit Vertriebskosten in einem Betriebsprüfungsbericht verletzt nicht das Steuergeheimnis, wenn sich diese Daten auf die Besteuerung von Erwerbern von Wohnungen auswirken und den Erwerbern offengelegt werden können.
a) Die Geschäftsdaten können für die korrekte Berechnung der AfA gemäß §§ 7h und 7i EStG aufgrund des Erwerbs von zu sanierenden Wohnungen (Baudenkmale) von Bedeutung sein.
b) Werden die Geschäftsdaten der Bauträgerin in einem Prüfungsbericht aufgrund einer Außenprüfung dargestellt, können die Erwerber der Wohnungen davon Kenntnis erlangen, weil sie Beteiligte in einem Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach den §§ 1, 3 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO sind.
c) Gemäß § 30 Abs. 1 AO haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren. Ein Amtsträger verletzt nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO das Steuergeheimnis, wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm u.a. in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet. Nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 AO sind ausdrücklich fremde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt.
d) Das FA war im Streitfall jedoch zur Offenbarung der Daten befugt. Denn nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ist die Offenbarung der das Steuergeheimnis betreffenden Verhältnisse eines Dritten zulässig, wenn sie u.a. der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens dient. Dies ist dann der Fall, wenn die Daten eine Prüfung der in einem solchen Verfahren relevanten Tatbestandsmerkmale ermöglichen, erleichtern oder auf eine festere Grundlage stellen können (BFH, Beschluss vom 29.8.2012, X S 5/12 (PKH), Rz. 12, BFH/NV 2013, 2).
e) So war es im Streitfall, da ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Offenbarung der streitgegenständlichen Daten der Bauträgerin und der Berechnung der Höhe der AfA nach § 7i EStG bei den Erwerbern der Wohnungen bestand.
3. Diesem Ergebnis, dass die Daten über den Rohgewinn etc. in den Prüfungsberichten zu erfassen waren und hierdurch nicht das Steuergeheimnis verletzt wurde, stand auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen. Die streitgegenständlichen Daten waren fü...