Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Ein Mehrgewinn, der aus der Korrektur nicht betrieblich veranlasster Betriebsausgaben stammt und im laufenden Gesamthandsgewinn enthalten ist, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn die zugrundeliegenden Aufwendungen ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind.
2. Für die Zurechnung eines solchen Mehrgewinns bei diesem Mitunternehmer ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung unerheblich, ob der Mitunternehmerschaft aufgrund der unrechtmäßigen Verausgabung der Gesellschaftsmittel ein Ersatzanspruch zusteht, der im Gewinnermittlungszeitraum der Verausgabung uneinbringlich oder wertlos ist.
Normenkette
§ 4 Abs. 3 und 4, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger und der Beigeladene betrieben vom 1.1.1995 bis zum 26.10.2010 ein Ingenieurbüro in der Rechtsform der GbR. Sie waren nach dem Gesellschaftsvertrag jeweils hälftig am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. Eine Abrede zur Verteilung steuerlicher Mehrgewinne enthielt der Gesellschaftsvertrag nicht. Die GbR ermittelte den Gewinn aus selbstständiger Arbeit im Wege der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Gewinnermittlungszeitraum war das Kalenderjahr.
Der Kläger kündigte das Gesellschaftsverhältnis zum 26.10.2010 fristlos und schied an diesem Tag aus der GbR aus. Sein Anteil wuchs dem Beigeladenen an. Der fristlosen Kündigung lag zugrunde, dass der Beigeladene Aufwendungen für seine Ausbildung zum Lerncoach i.H.v. 5.122 EUR, für die Anschaffung privat verwendeter Gegenstände i.H.v. 4.333,29 EUR, für angebliche Geschäftsessen i.H.v. 2.053,05 EUR, für Getränkekosten i.H.v. 2.018,19 EUR, für Blumen i.H.v. 399,59 EUR, für Fotokosten i.H.v. 130 EUR sowie für Reisekosten i.H.v. 431,90 EUR (insgesamt Aufwendungen i.H.v. 14.488,02 EUR) ohne Zustimmung des Klägers aus den Gesellschaftsmitteln gezahlt hatte.
Der Kläger und der Beigeladene führten einen zivilrechtlichen Rechtsstreit über die nach dem Gesellschaftsvertrag vom Beigeladenen zum 27.10.2010 zu erstellende Auseinandersetzungsbilanz und die Höhe des Abfindungsanspruchs des Klägers. Der Kläger wollte u.a. erreichen, dass Ersatzansprüche der GbR gegen den Beigeladenen aufgrund der unberechtigten Verausgabung der Gesellschaftsmittel für die private Lebensführung in die Auseinandersetzungsbilanz einbezogen werden und seinen Abfindungsanspruch erhöhen. In der ersten Instanz hatte der Kläger insoweit keinen Erfolg. Das Berufungsverfahren war bis zur Entscheidung des FG nicht abgeschlossen.
Das FA stellte die auf Ebene der GbR erzielten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit für das Streitjahr 2009 aufgrund einer nur vom Beigeladenen eingereichten Feststellungserklärung zunächst mit gesondertem und einheitlichem Feststellungsbescheid vom 23.2.2011 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) fest. In diesem Feststellungsbescheid wurden die streitigen Aufwendungen (14.488,02 EUR) als laufende Betriebsausgaben auf der Gesamthandsebene berücksichtigt. Das FA erhöhte während des vom Kläger betriebenen Einspruchsverfahrens die festgestellten laufenden Einkünfte der GbR aus der Gesamthand im gemäß § 132 i.V.m. § 164 Abs. 2 AOgeänderten Feststellungsbescheid um 14.488,02 EUR auf 68.955,91 EUR. Es sah die aus den Mitteln der GbR für private Zwecke und den Konsum des Beigeladenen bestrittenen Aufwendungen als nicht betrieblich veranlasst an. Den Gewinn aus der Gesamthand rechnete das FA dem Kläger und dem Beigeladenen jeweils hälftig zu.
Die anschließend vom Kläger erhobene Klage richtete sich nicht gegen die Feststellung des erhöhten laufenden Gesamthandsgewinns, sondern ausschließlich gegen dessen hälftige Verteilung. Er begehrte, den Mehrgewinn i.H.v. 14.488,02 EUR allein dem Beigeladenen zuzurechnen und nur den restlichen laufenden Gesamthandsgewinn i.H.v. 54.467,89 EUR hälftig zu verteilen. Das FG wies die Klage ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.4.2018, 13 K 13227/16, Haufe-Index 15488790, EFG 2019, 1176).
Entscheidung
Die Revision des Klägers war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Hinweis
1. Maßgeblich für die Verteilung der Einkünfte bei einer Personengesellschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist grundsätzlich der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel. Dieser ergibt sich aus den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen und – falls im Gesellschaftsvertrag nichts geregelt ist – aus dem Gesetz (BGB oder HGB). Abweichungen von dieser Gewinnverteilung können sich jedoch ergeben, wenn ein Gesellschafter – wie im vorliegenden Fall – private Ausgaben zu Unrecht als Betriebsausgaben der Gesellschaft geltend gemacht hat und diese Gewinnminderung wieder vom FA korrigiert wird.
2. In diesem Fall muss ein Mehrgewinn aufgrund der Korrektur des Betriebsausgabenabzugs grundsätzlich nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel auf alle Gesellschafter verteilt werden. Der BFH hat in der vorliegen...