Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Ein Gewinn i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, den ein Realteiler erzielt, weil er seinen Betrieb, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, innerhalb der Sperrfrist veräußert, ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein diesem Realteiler zuzurechnen.
Normenkette
§ 16 Abs. 3 Sätze 2, 3 und 7 EStG, § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO
Sachverhalt
Die Klägerin und die Beigeladene waren zu gleichen Teilen an einer in der Rechtsform der GbR geführten ärztlichen Gemeinschaftspraxis beteiligt. Diese hatten sie im Wege einer (echten) Realteilung zum 30.6.2012 beendet. Die beiden ehemaligen Gesellschafterinnen übernahmen die im Rahmen der Realteilung zugeteilten Wirtschaftsgüter jeweils zu Buchwerten in freiberufliche Einzelpraxen. In diesen setzten sie ihre ärztliche Tätigkeit nach Auflösung der GbR fort. Die Auseinandersetzungsvereinbarung vom 24.4.2012 enthielt keine Regelungen zu einer Veräußerung oder Entnahme des Gesamthandsvermögens innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG.
Die GbR erklärte für das Streitjahr 2012 neben Sonderbetriebseinnahmen und ‐ausgaben einen laufenden Gewinn, den das FA antragsgemäß feststellte. Es rechnete den Gesellschafterinnen den laufenden Gewinn entsprechend der Gewinnverteilungsquote hälftig zu.
Im Jahr 2015 zeigte die Beigeladene dem FA an, dass sie ihre im Wege der Realteilung entstandene Arztpraxis im Jahr 2013 innerhalb der Sperrfrist veräußert habe und die wesentlichen Betriebsgrundlagen daher rückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung statt des Buchwerts mit dem gemeinen Wert anzusetzen seien (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Der daraus resultierende Gewinn sei nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen.
Daraufhin erließ das FA unter Verweis auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung für das Streitjahr. In diesem erhöhte es den auf die beiden Gesellschafterinnen nach der Quote zu verteilenden laufenden Gewinn aufgrund des Verstoßes gegen die Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG. Der von der Klägerin hiergegen erhobene Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.4.2019, 1 K 1280/15, Haufe-Index 13754852, EFG 2020, 716).
Entscheidung
Die hiergegen erhobene Revision war begründet. Entgegen der Entscheidung des FG war der Aufgabegewinn allein der die Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG verletzenden Beigeladenen zuzurechnen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und der angefochtene Feststellungsbescheid dahin gehend zu ändern, dass der Aufgabegewinn in voller Höhe der Beigeladenen zuzurechnen war.
Hinweis
1. Eine für die Praxis wichtige und vielleicht auch überraschende Entscheidung. Streitig war im vorliegenden Fall allein die Frage, ob der auf der Ebene der Gesamthand bestandskräftig festgestellte Gewinn, der auf der Verletzung der Sperrfrist nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG beruhte, den ehemaligen Gesellschaftern der GbR nach dem Gewinnverteilungsschlüssel oder nur der Beigeladenen zuzurechnen ist, die für die Verletzung der Sperrfrist verantwortlich war. Letzteres ist nach Auffassung des BFH – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – der Fall.
2. Zwar hat die Finanzverwaltung eine vom Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zuweisung des aufgrund einer Sperrfristverletzung realisierten Gewinns bei einer Regelung im Realteilungsvertrag steuerlich anerkannt. Fehlte aber – wie im vorliegenden Fall – eine solche vertragliche Regelung, ist nach der Auffassung der Finanzverwaltung der Gewinn nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel den Realteilern zuzurechnen.
3. Nach Auffassung des BFH ist der aus der Verletzung der Sperrfrist resultierende Gewinn jedoch nach § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein dem Realteiler zuzurechnen, der durch die Veräußerung des zu Buchwerten übernommenen Betriebsvermögens die Sperrfrist verletzt hat. Die Norm rechnet dem einzelnen Beteiligten im Fall der aufgabebedingten Übernahme von Wirtschaftsgütern unmittelbar das zu, was er tatsächlich erhält. Dies ist auch im vorliegenden Fall sachgerecht, da die Gewinnrealisierung auf einer der Realteilung zeitlich nachfolgenden Sperrfristverletzung eines Realteilers beruht, die die übrigen ehemaligen Mitunternehmer nicht verhindern können. Es handelt sich nicht um eine gemeinschaftlich verwirklichte Entnahme der Realteilungsgesellschaft, sodass der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel keine Anwendung findet.
4. Danach ist § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG als spezielle Gewinnzuweisungsnorm anzuwenden, die die Gewinnverteilung vom allgemeinen Gewinnverteilungsmaßstab loslöst. Nach Auffassung des BFH schreibt § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG – über den rückwirkenden Ansatz des entsprechenden gemeinen Werts hinaus – nicht vor, dass die stillen Reserven zwingend bei sämtlichen Realteilern zu versteuern sind, weil sie ursprünglich auf der Gesamthandsebene gebildet wurden. Die Regelung zwingt auch nicht dazu, eine Gewinnv...