Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
An einer nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewertenden Überlassung eines betrieblichen Fahrzeugs zu privaten Fahrten durch den Arbeitgeber fehlt es, wenn das Fahrzeug dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist.
Normenkette
§ 19, § 8 Abs. 2 Satz 1, Sätze 2 bis 5 EStG
Sachverhalt
Bürgermeisterin K machte Werbungskosten für berufliche Fahrten geltend und legte dazu für ein Leasingfahrzeug ein Fahrtenbuch und Kostennachweise (Leasingraten, Kfz-Steuern, Versicherungen) vor. Der Leasingvertrag bestand zwischen Ks Arbeitgeberin, der Gemeinde (G) und Y als Leasinggeber mit Sonderkonditionen für die öffentliche Hand (sog. Behördenleasing). Die Rechnungen über die Leasingraten lauteten auf G. Weil K höhere Leasingraten hätte leisten müssen, wenn sie den Pkw selbst als Vertragspartnerin des Y geleast hätte, erhöhte das FA K’s Lohneinkünfte um den bisher nicht versteuerten geldwerten Vorteil aus der Rabattgewährung Dritter (Y). Solche Sonderkonditionen hätten Privatpersonen nicht erhalten. Der Vorteil stamme daher – so das FA – aus dem Dienstverhältnis und sei nach der Differenz zwischen den üblichen und den von K tatsächlich geleisteten Leasingraten zu ermitteln. Ks Klage blieb erfolglos (FG München, Urteil vom 22.4.2013, 7 K 2640/11, Haufe-Index 6312135, EFG 2014, 175).
Entscheidung
Der BFH hob, wie unter den Praxis-Hinweisen erläutert, die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
Das Besprechungsurteil konkretisiert den in der Praxis bedeutsamen, gesetzlich aber unbestimmten Tatbestand "private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs" im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG, nämlich den typischen Fall, dass der Arbeitnehmer ein Fahrzeug des Arbeitgebers auch für eigene private Zwecke nutzen darf ("Dienstwagen").
1. Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen betrieblichen Pkw für dessen Privatnutzung, begründet das einen lohnsteuerrechtlichen Vorteil/Einnahme, der zwingend nach der 1 %-Regelung oder Fahrtenbuchmethode (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG) zu bewerten ist (BFH, Urteil vom 20.3.2014, VI R 35/12, BFH/NV 2014, 1283, BFH/PR 2014, 289). Nutzungsentgelte führen zu keiner anderen Bewertung, sondern allenfalls zur Kürzung des so ermittelten Vorteils (BFH, Urteil vom 7.11.2006, VI R 95/04, BFH/NV 2007, 329, BFH-PR 2007, 128). Ebenso Zuzahlungen zu den Anschaffungskosten eines Dienstwagens, die allenfalls nach AfA-Grundsätzen – verteilt auf die voraussichtliche Nutzungsdauer – vorteilsmindernd angesetzt werden können (BFH, Urteil vom 18.10.2007, VI R 59/06, BFH/NV 2008, 284, BFH/PR 2008, 61).
2. Keine solche Überlassung eines betrieblichen Kfz i.S.d. § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 EStG liegt allerdings vor, wenn das Fahrzeug nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist, also der Arbeitnehmer (wirtschaftlicher) Eigentümer des Fahrzeugs wurde, unabhängig davon, ob er es von fremden Dritten oder vom Arbeitgeber erworben hatte. Ein solches wirtschaftliches Eigentum kann auch durch ein (Unter-) Leasingverhältnis begründet werden. Entscheidend dafür sind die allgemeinen Grundsätze der BGH-Rechtsprechung, ob also der Arbeitnehmer die Rechte und Pflichten eines Leasingnehmers hat (Ratenzahlung, Gefahr und Haftung für Instandhaltung, Sachmängel, Untergang und Beschädigung). Dann gelten nicht die speziellen Bewertungsmethoden (1 %-Regelung oder Fahrtenbuch), sondern die allgemeinen Grundsätze für rabattierte Erwerbe, wie in der Jahreswagen-Rechtsprechung entwickelt (BFH, Urteile vom 26.7.2012, VI R 27/11, BFH/NV 2012, 2050, BFH/PR 2013, 7; VI R 30/09, BFH/NV 2012, 2047, BFH/PR 2013, 8).
3. Im Streitfall bestanden nach den bisherigen Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte dafür, dass der geleaste Pkw der K und nicht der Gemeinde zuzurechnen war. Wäre die Gemeinde wirtschaftlicher Eigentümer, wäre der Vorteil aus der Fahrzeugüberlassung nach der üblichen Bewertungsmethode (1 %‐Regelung oder Fahrtenbuchmethode) anzusetzen. Es ist also festzustellen, wem das Fahrzeug zuzurechnen ist, also zu prüfen, wer Halter und Versicherungsnehmer des von der Gemeinde geleasten Fahrzeugs war und ob K die Gefahr aus Nutzung und Betrieb des Fahrzeugs sowie die vertraglichen Verpflichtungen aus dem Leasingvertrag mit Y übernommen hatte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.12.2014 – VI R 75/13