Rz. 25
Die zentrale Voraussetzung für die Anwendung von § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB ist der zwischenzeitliche Wegfall der Gründe, die für die früher vorgenommene Abschreibung maßgebend waren. Bestehen die Gründe auch weiterhin, ist nach der hier vertretenen Auffassung keine Möglichkeit zur Wertaufholung gegeben, selbst wenn die Vornahme der Abschreibung als Wahlrecht ausgestaltet war. Der Frage, was als Grund für eine außerplanmäßige Abschreibung i. S. d. genannten Vorschriften anzusehen ist, kommt große materielle Bedeutung zu, da nur bei einem Wegfall dieses Abschreibungsgrundes eine Wertaufholungspflicht in Betracht kommt. Die Beantwortung dieser Fragestellung besitzt große Relevanz, da mit dem Wegfall des Abschreibungsgrundes zwingende Rechtsfolgen verknüpft sind. Im Hinblick auf den unterschiedlichen Charakter der verschiedenen Abschreibungskategorien erscheint eine Differenzierung, wie sie im Folgenden vorgenommen wird, sinnvoll.
Rz. 26
Was als Grund für eine außerplanmäßige Abschreibung nach § 253 Abs. 3 Sätze 5, 6 HGB oder § 253 Abs. 4 HGB anzusehen ist, hängt unmittelbar davon ab, wie weit man die Ursachenkette, die letztlich zu einer der genannten Abschreibungen geführt hat, zurückverfolgt. Als unmittelbare Ursache kann sicherlich der Umstand gelten, dass am Abschlussstichtag ein nach den Regeln des externen Rechnungswesens ermittelter Vergleichswert (beizulegender Wert, Börsenkurs, Marktpreis etc.) unterhalb des letztjährigen Bilanzansatzes, eventuell vermindert um planmäßige Abschreibungen, liegt. Diese in einem niedrigeren Vergleichswert zum Ausdruck kommende Wertminderung wird durch eine der oben genannten Abschreibungsarten erfasst, die der Bilanzierende entweder vornehmen muss oder in Ausübung eines Abwertungswahlrechts (nur bei einer vorübergehenden Wertminderung im Finanzanlagevermögen gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB möglich) freiwillig vornehmen kann.
Wird allerdings berücksichtigt, dass dieser Vergleichswert selbst lediglich das Ergebnis von konkreten Marktgegebenheiten und/oder -vorfällen ist (z. B. Preisverfall auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Bonitätsverlust bei Kunden), die den Wert jedes Vermögensgegenstandes beeinflussen, so wird deutlich, dass eigentliche Ursache für die Vornahme einer Abschreibung nach § 253 Abs. 3 Sätze 5, 6 HGB oder § 253 Abs. 4 HGB die wertbeeinflussenden Tatsachen sind. Der niedrigere Vergleichswert spiegelt diese Einflussfaktoren lediglich zahlenmäßig wider, sodass auf seiner Grundlage entschieden werden kann, ob eine Abschreibung dem Grunde nach überhaupt erfolgen muss bzw. kann und in welcher Höhe diese Abwertung ggf. vorzunehmen ist. Schematisch lässt sich diese Situation wie in Abb. 3 darstellen.
Abb. 3: Wirkungskette im Jahr der Abschreibung
Rz. 27
Im Schrifttum hat sich keine einheitliche Meinung zu der Frage herausgebildet, was als Grund für eine außerplanmäßige Abschreibung gem. § 253 Abs. 3 Sätze 5, 6 HGB und § 253 Abs. 4 HGB anzusehen ist und – als logische Folge hieraus – wann der Grund für diese Abschreibungsarten i. S. d. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB weggefallen ist. Im Wesentlichen sind zwei Auslegungsmöglichkeiten auszumachen, deren Unterschied in einer verschieden weitgehenden Interpretation des Begriffs "Abschreibungsgrund" begründet ist: Während erstere Möglichkeit (vgl. Rz. 28 f.) für die Anwendung des § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB einen Wegfall der wertmindernden Tatsachen selbst fordert, genügt der zweiten Variante (vgl. Rz. 30 ff.) ein Nichtmehrbestehen der Wertminderung, wobei die Umstände, die zu einer Wertsteigerung geführt haben, keine Bedeutung haben.
Rz. 28
Betrachtet man als Grund für eine Abschreibung die wertmindernde Tatsache selbst, geht man also auf den eigentlichen Ursprung der Wirkungskette zurück, so kann als Wegfall des Grundes i. S. d. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB auch nur das Nichtmehrbestehen dieser Tatsache in Betracht kommen. In diesem Zusammenhang führen Lorson/Zündorf aus: "In einem späteren Geschäftsjahr stellt sich heraus, dass der Grund für die vorgenommene außerplanmäßige Abschreibung nicht mehr besteht. Bei der Entscheidung, ob eine Zuschreibung vorzunehmen ist, muss also darauf abgestellt werden, ob die Abwertungsursache, die zur Abschreibung führten, noch besteht."
Um in Folgejahren überhaupt beurteilen zu können, ob eine eingetretene Wertsteigerung auf dem Wegfall der ursprünglich wertmindernden Tatsache oder auf einem anderen Grund beruht, müssen die einzelnen Abschreibungsursachen genau dokumentiert und verfolgt werden. Unter Erweiterung von Abb. 3 lässt sich dieser Zusammenhang wie in Abb. 4 darstellen.
Abb. 4: Wegfall der Gründe bei restriktiver Auslegung des Abschreibungsgrundes
Rz. 29
Bei teilweisem Wegfall eines Abschreibungsgrundes besteht zwar streng genommen die wertmindernde Tatsache für die in Vorjahren vorgenommene Abschreibung dem Grunde nach auch weiterhin noch, jedoch kann in ergänzender Auslegung ein Fall der Wertaufholung im Umfang der Werterhöhung angenommen werden.
Problematisch wird die Argumentation...