Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Sachzuwendungen an Arbeitnehmer anlässlich einer Veranstaltung, die sowohl Elemente einer Betriebsveranstaltung als auch einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung enthält, sind grundsätzlich aufzuteilen (Anschluss an Senatsentscheidung vom 16.11.2005, VI R 118/01, BFH/NV 2006, 863, BFH/PR 2006, 183).
2. Die Aufwendungen des Arbeitgebers für die Durchführung der gemischt veranlassten Gesamtveranstaltung sind nur dann kein Arbeitslohn, wenn die dem Betriebsveranstaltungsteil zuzurechnenden anteiligen Kosten die für die Zuordnung bei Betriebsveranstaltungen maßgebliche Freigrenze nicht überschreiten.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 40 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin führte an Bord eines Ausflugschiffs eine Betriebsversammlung durch; dabei wurden auch Speisen und Getränke gereicht. Abends schloss sich in einem Hotel ein Betriebsfest mit Unterhaltungsprogramm an. Sie gewährleistete den Bustransfer zur Schiffsanlegestelle und zum Betriebsfest. Die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung war für alle Arbeitnehmer verpflichtend, die Teilnahme am Betriebsfest freigestellt.
Das FA behandelte die Aufwendungen der Klägerin für die gesamte Veranstaltung (Betriebsfest und Betriebsveranstaltung) als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Auch das FG vertrat die Auffassung, dass es sich um eine Gesamtveranstaltung mit eher gesellschaftlichem Charakter gehandelt habe und eine Aufteilung in einen Seminarteil auf dem Schiff und eine Betriebsveranstaltung an Land nicht in Betracht komme, setzte allerdings den geldwerten Vorteil etwas geringer an (FG Münster, Urteil vom 20.09.2007, 3 K 1279/05, Haufe-Index 2181198, EFG 2008, 118).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin war nur in geringem Umfang begründet (Praxishinweise Nr. 2). Im Übrigen bestätigte der BFH die Vorentscheidung (Praxishinweise Nr. 1).
Hinweis
Der Besprechungsfall anlässlich einer Betriebsveranstaltung warf die typische lohnsteuerrechtliche Grundfrage auf, inwieweit Arbeitnehmern zugewandte Vorteile und Annehmlichkeiten Lohncharakter haben und wie diese bei einer gemischten Veranstaltung aufzuteilen sind.
1.Für Betriebsveranstaltungen (= Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offensteht) kann ein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers (z.B. Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer, Verbesserung des Betriebsklimas) bestehen. Dieses ganz überwiegend eigenbetriebliche Interesse verneint der BFH allerdings bei Überschreiten einer Freigrenze (im Streitfall 200 DM, gegenwärtig 110 EUR, R 19.5 Abs. 4 S. 2 LStR 2008), mit der Folge, dass dann in vollem Umfang Arbeitslohn vorliegt (BFH, Urteil vom 16.11.2005, VI R 68/00, BFH/NV 2006, 861, BFH/PR 2006, 181), auch wenn die Betriebsveranstaltung Elemente einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung, die nicht oder nicht insgesamt zu Lohn führt, enthält.
Bei der dann gemischt veranlassten Gesamtveranstaltung sind die Sachzuwendungen an die Arbeitnehmer nach den BFH-Grundsätzen (BFH, Urteil vom 16.11.2005, VI R 118/01, BFH/NV 2006, 863, BFH/PR 2006, 181) aufzuteilen: zunächst getrennt nach den Kosten, die sich dem betriebsfunktionalen Bereich (kein Lohn) einerseits und dem Teil Feier und Unterhaltung (Lohn) andererseits leicht zuordnen lassen. Was dem nicht zuzuordnen ist (z.B. Beförderung, Unterbringung, Verpflegung), ist schätzweise aufzuteilen, und zwar nach den Zeitanteilen: Veranstaltungsteile mit Vorteilscharakter zu den aus betriebsfunktionalen Gründen durchgeführten Teilen. Bewirtung der Arbeitnehmer ist grundsätzlich Arbeitslohn, wenn nicht ausnahmsweise Speisen und Getränke anlässlich und während eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes aus durch den Arbeitsablauf bedingten Gründen unentgeltlich überlassen werden.
2. Die schätzweise Aufteilung des FG war rechtsfehlerfrei. Soweit es die Kosten für Bustransfer und Schiffstour im Verhältnis 65 % (geldwerter Vorteil) zu 35 % (kein Entlohnungscharakter) aufgeteilt hatte, gelangte der BFH allerdings zu einer für die Klägerin günstigeren Aufteilung (56 % zu 44 %).
3. Die Nachforderung der pauschalen, eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers voraussetzende LSt (BFH, Urteil vom 20.11.2008, VI R 4/06, BFH/NV 2009, 467, BFH/PR 2009, 134) konnte hier für den Lohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung mit dem Pauschsatz von 25 % (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG) erfasst werden (BFH, Urteil vom 15.01.2009, VI R 22/06, BFH/NV 2009, 820, BFH/PR 2009, 214).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.04.2009 – VI R 55/07