Leitsatz
1. Zuwendungen in den Vermögensstock einer durch Erbeinsetzung von Todes wegen errichteten Stiftung sind keine Sonderausgaben des Erblassers, da sie erst mit dem Tod abfließen.
2. § 84 BGB berührt den Abflusszeitpunkt von Stiftungsgründungsspenden nicht.
Normenkette
§ 10b Abs. 1a, § 11 Abs. 2 EStG, § 84 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin, eine gemeinnützige Stiftung, ist Alleinerbin der E. E hatte mit ihrem Ehemann ein gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach nach dem Tod des Nachversterbenden eine gemeinnützige auf ihrer beider Namen lautende Stiftung den Nachlass erhalten sollte. Zwar hatte E später erwogen, einen anderen gemeinnützigen Verein zu begünstigen, dieses Vorhaben setzte sie jedoch nicht um. Nach dem Tod der E wurde die Stiftung errichtet und als deren Alleinerbin bestätigt. In der ESt-Erklärung für das Todesjahr der E machte die Stiftung Aufwendungen i.H.v. 500 000 EUR als Zuwendungen in den Vermögensstock einer Stiftung nach § 10b Abs. 1a EStG geltend und legte eine Spendenbescheinigung vor, nach der die Erblasserin an ihrem Todestag der Klägerin 1 Mio. EUR zugewendet habe.
Das FA berücksichtigte die Aufwendungen nicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Aufwendungen seien nicht als Sonderausgaben der E abziehbar, da diese selbst keine Ausgaben geleistet habe (FG Hamburg, Urteil vom 11.09.2009, 3 K 242/08, Haufe-Index 2265598, EFG 2010, 431).
Entscheidung
Auch die Revision der Stiftung war nicht erfolgreich. Der BFH wies ihre Revision aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurück.
Hinweis
Kann in der Zuwendung von Todes wegen an eine gemeinnützige Stiftung noch eine Spende des Erblassers gesehen werden? Diese Frage beantwortet der BFH mit einem klaren "nein". Denn für die Abziehbarkeit von Sonderausgaben ist gem. § 11 Abs. 2 EStG der Zeitpunkt maßgebend, zu dem sie geleistet wurden. Sonderausgaben können deshalb nur dann bei der Veranlagung eines Erblassers berücksichtigt werden, wenn sie bis zum Todeszeitpunkt geleistet wurden. Auslösendes Moment für den Übergang der Erbschaft ist aber der Tod des Erblassers.
In der Erbeinsetzung kann keine Ausgabe zu Lebzeiten des Erblassers gesehen werden. Sie hat keine Auswirkung auf den Abflusszeitpunkt, da sie nur den ersten Schritt des Vermögensübergangs bildet. Der tatsächliche Abfluss des Vermögens findet erst mit dem Tod statt.
Auch die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments stellt keine einer Ausgabe gleichkommende wirtschaftliche Belastung des überlebenden Ehegatten dar, weil dieser zu seinen Lebzeiten über das Vermögen frei verfügen kann.
Die zivilrechtliche Sonderregelung des § 84 BGB fingiert ebenfalls keinen Abfluss der Zuwendung. Zwar gilt nach dieser Vorschrift eine Stiftung, die erst nach dem Tod des Stifters als rechtsfähig anerkannt wird, für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden. § 84 BGB bewirkt aber keine Vorverlegung des steuerlichen Abflusszeitpunkts von Zuwendungen, sondern fingiert lediglich die Existenz der sowohl von Todes wegen als auch unter Lebenden errichteten Stiftung, wenn der Stifter vor der Genehmigung der Stiftung verstorben ist.
Der BFH bestätigt in diesem Urteil seine Rechtsprechung, dass § 10b EStGkeine Einschränkung des § 11 Abs. 2 EStG fordert (siehe auch BFH, Urteil vom 23.10.1996, X R 75/94, BFH/NV 1997, 121). Zwar enthalte § 10b Abs. 1a S. 1 EStG eine ausdrückliche Ausnahme vom Abflussprinzip insoweit, als die Vorschrift zulasse, Stiftungsgründungsspenden auf Antrag wahlweise im Jahr der Zuwendung oder in beliebiger Verteilung auf dieses oder die nachfolgenden neun Jahre als Sonderausgaben abzuziehen, Anhaltspunkte für eine weitere, nicht ausdrücklich normierte Einschränkung des § 11 Abs. 2 EStG seien jedoch nicht erkennbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.02.2011 – X R 46/09