Leitsatz
1. In früheren Wirtschaftsjahren aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommene erbbaurechtsbelastete Grundstücke bleiben bei der Berechnung, ob die spätere Bestellung weiterer Erbbaurechte zu einer Überschreitung der Unschädlichkeitsgrenze von 10 % der landwirtschaftlichen Flächen geführt hat, unberücksichtigt.
2. Die Vereinbarung eines verbilligten Erbbauzinses zwischen dem Landwirt und seinem Kind führt nicht zu einer Entnahme des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks, sofern der verbilligte Erbbauzins die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % des ortsüblichen vollen Erbbauzinses nicht unterschreitet.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 S. 7, Abs. 3, § 13, § 13a, § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 S. 2 EStG, § 120 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
Ein Landwirt hatte in früheren Jahren zahlreiche Erbbaurechte an zu Bauland gewordenen, ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen von ca. 7 000 m² bestellt. Die gesamte Betriebsfläche hatte zuvor ca. 35 000 m² betragen. In den Streitjahren bestellte der Landwirt für einen Sohn und eine Tochter jeweils ein Erbbaurecht (871 m² und 890 m²), wobei der Sohn einen angemessenen Erbbauzins von 3,50 DM/m² und die Tochter einen Erbbauzins von 1,00 DM/m² zu zahlen hatten. Das FA war der Meinung, beide Grundstücke seien zwangsweise entnommen worden, und erhöhte den durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelten Gewinn.
Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt (FG Münster, Urteil vom 16.05.2008, 6 K 3233/03 E, Haufe-Index 2062651, EFG 2008, 1939).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Die in den früheren Jahren bestellten Erbbaurechte hätten die schädliche Grenze von 10 % der Betriebsfläche überschritten; dadurch seien die betroffenen Grundstücke notwendiges Privatvermögen geworden. Die neuerlichen Erbbaurechtsbestellungen machten nicht mehr als 10 % der verbliebenen Betriebsfläche aus. Eine Grundstücksentnahme ergebe sich auch nicht aus der Vereinbarung eines verbilligten Erbbauzinses, da der Zins nicht weniger als 10 % des fremdüblichen Zinses betrage.
Hinweis
1. Die Bestellung von Erbbaurechten an ehemals landwirtschaftlich genutzten Grundstücken führt nach der Rechtsprechung des BFH nicht in jedem Fall zu einer Zwangsentnahme der Grundstücke. Die damit eintretende Nutzungsänderung soll nur dann zwingend eine Entnahme zur Folge haben, wenn sie insgesamt eine Fläche von mehr als 10 % der Betriebsfläche betrifft (BFH, Urteil vom 10.12.1992, IV R 115/91, Haufe-Index 64170, BStBl II 1993, 342). Gleiches gilt für Grundstücke, die zur Fremdvermietung bebaut werden.
2. Wird die 10 %-Grenze durch Erbbaurechtsbestellungen innerhalb eines Wirtschaftsjahrs überschritten, kommt es in dem betreffenden Jahr zur Zwangsentnahme. Überschreitet die Fläche der bestellten Erbbaurechte zunächst noch nicht die kritische Grenze, werden Nutzungsänderungen folgender Jahre hinzugerechnet, bis die 10 %-Grenze überschritten wird. Dann kommt es nach der Vorstellung des BFH zur Zwangsentnahme sämtlicher bis dahin betroffener Grundstücke.
Im Besprechungsfall ging es nun um die Frage, welche Folgen Nutzungsänderungen haben, die nach einer solchen Zwangsentnahme stattfinden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sollen diese auch sogleich zu einer Zwangsentnahme führen. Der BFH ist hier jedoch anderer Meinung. Er geht davon aus, dass nach der Zwangsentnahme ein neues 10 %-Reservoir besteht. Erst bei dessen Überschreitung kommt es zu einer weiteren Zwangsentnahme. Im Urteilsfall war dieses zweite Reservoir noch bei Weitem nicht erschöpft.
3. Die Bestellung eines Erbbaurechts ist nicht für sich genommen bereits eine Zwangsentnahme, weil das Grundstück ja anschließend dem Betrieb dadurch dienen kann, dass der Erbbauzins den Gewinn aus dem Betrieb erhöht. Das Grundstück ist dann zwar nicht notwendiges Betriebsvermögen; es kann aber gewillkürtes Betriebsvermögen sein und verbleibt deshalb als sog. geduldetes Betriebsvermögen im Betrieb, wenn keine ausdrückliche Entnahme erklärt wird.
Ist der Erbbauzins unangemessen niedrig, trägt die Nutzungsüberlassung natürlich entsprechend geringer zum Ergebnis des Betriebs bei. Eine Verbilligung um mehr als 50 % soll nach Meinung der Finanzverwaltung deshalb zur Entnahme des Grundstücks führen. Der BFH sieht in der Verbilligung demgegenüber keine Entnahme des Grundstücks, sondern eine Nutzungsentnahme, die mit den anteiligen Kosten, höchstens dem anteiligen Marktwert der Nutzung anzusetzen ist. Nur wenn der Erbbauzins niedriger als 10 % des marktangemessenen Erbbauzinses ist, soll es zu einer Entnahme des Grundstücks kommen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.03.2011 – IV R 46/08