Leitsatz
Die von einem gemeinnützigen Verein erbrachten Leistungen im Rahmen der Verwaltung des Zivildienstes nach § 5a Abs. 2 ZDG begründen – entgegen BMF-Schreiben vom 18.08.2015 (BStBl I 2015, 659) – einen allgemeinen Zweckbetrieb nach § 65 AO (Anschluss an BFH-Urteil vom 23.07.2009 – V R 93/07, BFHE 226, 435, BStBl II 2015, 735).
Normenkette
§ 65, § 64 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der mit anderen Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege auf Landes- und auf Bundesebene kooperiert und sich nach seiner Satzung allen Aufgaben sozialer und caritativer Hilfe widmet. Zur Durchführung von Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Zivildienstleistenden schlossen der X e.V. und das – nach § 2 Abs. 1 ZDG – für die Organisation des Zivildienstes zuständige Bundesamt für den Zivildienst zum 1.1.2006 einen Vertrag zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben (ÜVA). Dabei vertrat der X e.V. den Kläger und verpflichtete diesen, die nach § 1 ÜVA vertraglich übernommenen Verwaltungsaufgaben in seinem Bereich durchzuführen. Auf dieser Grundlage übernahm der Kläger im Namen des Bundesamtes für den Zivildienst Verwaltungsaufgaben. In den Streitjahren betreute der Kläger insgesamt 1.464 (2007), 1.516 (2008), 1.504 (2009) und 1.522 (2010) Zivildienstleistende, die für amtliche Beschäftigungsstellen ganz überwiegend im Bereich der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit tätig waren.
Das FA berücksichtigte die sich aus dieser Tätigkeit ergebenden Überschüsse im Rahmen des für alle wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb und setzte KSt entsprechend fest. Ebenso berücksichtigte es die Überschüsse in den Bescheiden über den GewSt-Messbetrag. Die hiergegen eingelegte Klage hatte Erfolg (FG Münster, Urteil vom 19.6.2019, 9 K 2483/19 K, G, Haufe-Index 13722439).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Der BFH bejaht für die Übernahme der Verwaltungsaufgaben für das Bundesamt für den Zivildienst bei der Betreuung des Einsatzes von Zivildienstleistenden bei amtlichen Beschäftigungsstellen den Zweckbetrieb nach § 65 AO.
2. Für das Erfordernis, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), führt der BFH an, dass die Körperschaft nach ihrer konkreten Satzung insbesondere "bedarfsgerechte Hilfestrukturen" bereithalten sollte. Mit ihrer Tätigkeit organisierte sie den Einsatz von Zivildienst von Zivildienstleistenden im sozialen Bereich und war dabei ein "unerlässliches Bindeglied" zwischen den Zivildienstleistenden und den Beschäftigungsdienststellen.
Eine nur mittelbare Förderung steuerbegünstigter Zwecke verneint der BFH im Hinblick auf ein arbeitsteiliges Zusammenwirken mit den Hilfseinrichtungen. Die Körperschaft organisierte den Zivildienst und betreute sowohl die Zivildienstleistenden als auch die Hilfseinrichtungen. Weiterhin war sie für die Erledigung der Rahmenhandlungen zuständig, damit die Zivildienstleistenden bei ihren Dienststellen die Hilfeleistungen im sozialen Bereich überhaupt erst erbringen konnten. Damit förderte die Körperschaft nicht nur fremde gemeinnützige Zwecke, sondern erfüllte gleichzeitig ihre eigenen steuerbegünstigten Zwecke, zu denen die Bereitstellung und Vorhaltung bedarfsgerechter Hilfestrukturen gehörte. Es handelte sich nicht um die bloße Übernahme allgemeiner Verwaltungstätigkeiten.
3. Ebenso bejaht der BFH, dass die steuerbegünstigten Zwecke nur durch die Organisation der Zivildienstverwaltung erreicht werden konnten (§ 65 Nr. 2 AO).
a) Entscheidend ist hierfür, dass sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lässt, sondern das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks ist.
b) Hierfür lässt es der BFH ausreichen, dass die Tätigkeit als Beratungs-, Betreuungs- und Fürsorgeeinrichtung für die Zivildienstleistenden und auch für die Einrichtungen der ihm angeschlossenen Vereine weit über eine bloß formal verwaltende Geschäftsstelle hinausging und stattdessen eine weitergehende Einflussnahme auf den tatsächlichen Verlauf des Zivildienstes der anvertrauten Personen vorlag. Die Tätigkeit war eine nicht wegzudenkende Voraussetzung für den Einsatz der Zivildienstleistenden durch die Beschäftigungsstellen.
c) Zudem verweist der BFH darauf, dass es für die Prüfung des § 65 Nr. 2 AO auf die Perspektive der jeweiligen Körperschaft ankommt. Daher ist es unerheblich, ob ein Dritter die gleichen oder vergleichbare Leistungen ausführt oder ausführen kann. Letzteres ist Gegenstand der Prüfung nach § 65 Nr. 3 AO. Schließlich handelte es sich um spezielle Verwaltungsleistungen, die sachlich auf das Engste mit dem sozialen Einsatz von Zivildienstleistenden verbunden waren.
4. Schließlich sind Wettbewerbsverzerrungen (§ 65 Nr. 3 AO) zu nicht begünstigten P...