OFD Chemnitz, Verfügung v. 26.06.2003, S2352-26/7-St22
1. Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO) hinsichtlich der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG (zeitliche Begrenzung des Abzugs der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung)
Auf Grund des o. g. Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes sind Steuerfestsetzungen künftig vorläufig vorzunehmen.
Die erforderlichen Anweisungen wurden in einem separaten BMF-Schreiben (vgl. Anlage) und nicht im Rahmen des üblichen „Vorläufigkeitskatalogs” getroffen, da es sich um eine Vorläufigkeitserklärung wegen einer ausstehenden gesetzlichen Neuregelung (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO) und nicht um eine Vorläufigkeitserklärung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren handelt.
Der entsprechende Vorläufigkeitsvermerk ist über SB 12 Kz 669 personell anzuweisen.
2. Verfahrensweise bei Lohnsteuer-Außenprüfungen
Im Rahmen von Lohnsteuer-Außenprüfungen ist – außer in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fallgestaltungen – bei der Prüfung des § 3 Nr. 13 und 16 EStG weiterhin die derzeit geltende Regelung anzuwenden.
Bei Nachforderungsbescheiden, die auf einer Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG basieren, bitte ich entsprechend dem BMF-Schreiben vom 13.06.2003 zu verfahren.
Bei Haftungsbescheiden nach § 42d EStG kann nach einer gesetzlichen Neuregelung insoweit eine Rücknahme auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit erfolgen ((§ 130 Abs. 1 AO). Einer besonderen verfahrensrechtlichen Nebenbestimmung bedarf es nicht.
Rechtsbehelfe gegen Haftungsbescheide bitte ich bis zu einer gesetzlichen Neuregelung mit Zustimmung des Arbeitgebers nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen zu lassen. Eine Aussetzung der Vollziehung kann in den im BMF-Schreiben vom 13.06.2003 unter Tz. 3 genannten Fällen gewährt werden.
Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO) hinsichtlich der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG (zeitliche Begrenzung des Abzugs der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung)
(BMF-Schreiben vom 13. Juni 2003- IV D 2- S 0338 – 40/03 -)
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 4. Dezember 2002- 2 BvR 400/98 und 2 BvR 1735/00- (BStB12003 II S. …) entschieden, dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG (zeitliche Begrenzung des Abzugs von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung) mit Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit die Vorschrift Fälle der fortlaufend verlängerten Abordnung an denselben Beschäftigungsort („Kettenabordnung”) erfasst, und unvereinbar mit Artikel 3 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 GG ist, soweit sie für beiderseits berufstätige Ehegatten Geltung beansprucht. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, rückwirkend eine verfassungskonforme Rechtslage herzustellen.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:
1. Vorläufige Steuerfestsetzung
Falls Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung nach bisheriger Rechtslage wegen Überschreitens der Zweijahresfrist gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG nicht als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abgezogen werden können, ist die Einkommensteuer insoweit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO vorläufig festzusetzen. Hierbei ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG nicht anzuwenden, wenn ein Fall der fortlaufend verlängerten Abordnung an denselben Beschäftigungsort („Kettenabordnung”) oder ein Fall beiderseits berufstätiger Ehegatten vorliegt.
Der Vorläufigkeitsvermerk ist personell anzuweisen. In den Bescheid ist folgende Erläuterung aufzunehmen:
„Die Festsetzung der Einkommensteuer ist im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 – und die ausstehende gesetzliche Neuregelung vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO hinsichtlich der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG (zeitliche Begrenzung des Abzugs der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung). Soweit nach der gesetzlichen Neuregelung die Steuerfestsetzung zu ändern ist, wird die Änderung von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich.”
Bei Änderungen von Steuerfestsetzungen, die noch nicht vorläufig ergangen sind, ist entsprechend Abschnitt I 2 des BMF-Schreibens vom 12. Juni 2003 (BStBI I S. …) zu verfahren.
2. Rechtsbehelfsfälle
Richtet sich ein zulässiger Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) gegen die Versagung des Abzugs der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung wegen Überschreitens der Zweijahresfrist gem. § 9 Abs. I Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG, ist nach einem entsprechenden Antrag oder mit Zustimmung des Steuerpflichtigen die Festsetzung der Einkommensteuer entsprechend Nummer 1 für vorläufig zu erklären. Die Zustimmung zur vorläufigen Steuerfestsetzung kann unterstellt werden, ...