Leitsatz (amtlich)
Ergeht gegen eine GmbH nach ihrer Löschung im Handelsregister ein Steuerbescheid zu Händen ihres (früheren) Liquidators, so ist sie, vertreten durch ihren früheren Liquidator, insoweit prozeßfähig, als die Frage ihrer Prozeßfähigkeit zu prüfen ist.
Normenkette
FGO § 58 Abs. 2 S. 2; ZPO § 56
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) - eine GmbH i. L. - ist nach Beendigung der Liquidation am 4. Juli 1966 im Handelsregister gelöscht worden. Nach ihrer Löschung erging aufgrund der im Juni 1966 bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung ein berichtigter Steuerbescheid vom 11. November 1966 zu Händen ihres (früheren) Liquidators. Dieser legte gegen den Bescheid unter dem 5. Dezember 1966 Einspruch ein mit dem Antrag, für den laut Betriebsprüfungsbericht für den Veranlagungszeitraum 1962 festgestellten, dem Grunde und der Höhe nach nicht streitigen Mehrgewinn mit Rücksicht auf den Gewinnverteilungsbeschluß der Gesellschafterversammlung vom 17. Oktober 1966 die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 19 Abs. 3 KStG und damit den Ausschüttungssteuersatz von 15 v. H. anzuerkennen. Im übrigen stehe nur ein negatives Vermögen der Steuerpflichtigen in Höhe von rd. 29 000 DM zur Verteilung.
Der Einspruch und die nach Zurückweisung des Einspruchs erhobene Klage blieben ohne Erfolg. Das FG stützte seine Entscheidung auf das Urteil des BFH I 310/62 vom 30. November 1966 (BFH 87, 394, BStBl III 1967, 152).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die gegen seine Entscheidung eingelegte Revision der Steuerpflichtigen führt. zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheids.
1. Die Löschung einer GmbH im Handelsregister hat nach herrschender Meinung nur deklaratorische, nicht konstitutive Wirkung. Daraus folgt, daß die Gesellschaft bei nachträglicher Feststellung noch verteilbaren Vermögens trotz ihrer Löschung im Handelsregister wieder auflebt; dies gilt nicht, wenn nachträglich nur noch Verbindlichkeiten festgestellt werden (Kommentare zum GmbH-Gesetz, Baumbach-Hueck, 12. Aufl., Anm. 1 C zu § 74; Hachenburg, 6. Aufl., Anm. 15 zu § 74; Scholz, 4. Aufl., Anm. 14 zu § 74). Steuerrechtlich wird die GmbH in jedem Falle als fortbestehend angesehen, solange sie noch steuerrechtlich Pflichten zu erfüllen hat und gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (Urteil des RFH I A 103/22 vom 16. Dezember 1922, (RFH 12, 16 [19]; BFH-Urteil I R 144-145/66 vom 18. Oktober 1967, BFH 90, 336, BStBl II 1968, 95). Sie bedarf zu ihrer rechtlichen Vertretung jedoch eines Liquidators.
Mit der Anmeldung der Beendigung der Liquidation und des Erlöschens der Firma ist nach herrschender Meinung auch das Amt des Liquidators beendet, ohne daß es hierzu der besonderen Anmeldung nach § 67 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung bedarf (Baumbach-Hueck, a. a. O., Anm. 2 A zu § 74; Hachenburg, a. a. O., Anm. 17 zu § 74; Scholz, a. a. O., Anm. 13 zu § 74). Danach darf der frühere Liquidator - wie auch § 214 Abs. 4 des Aktiengesetzes (AktG) 1937, § 273 Abs. 4 AktG 1965 für die Aktiengesellschaft deutlich machen - nicht ohne weiteres sein Amt als fortbestehend ansehen und für die GmbH in Liquidation wieder tätig werden. Obwohl diese Auffassung für die GmbH handelsrechtlich nicht unbestritten ist, sind ihr jedenfalls der RFH und der BFH in ihrer Rechtsprechung gefolgt (RFH-Urteil I A 103/22, a. a. O.; BFH-Urteil I R 144 bis 145/66, a. a. O.).
2. Da die Steuerpflichtige somit zur Zeit der Zustellung des Steuerbescheids, der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Urteils nicht ordnungsgemäß vertreten war, waren die angefochtene Entscheidung und die ihr zugrunde liegenden Verwaltungsakte aufzuheben. Das Finanzamt wird zunächst die Neubestellung eines Liquidators beim Registergericht zu beantragen haben und den Steuerbescheid sodann dem Liquidator zustellen.
3. Dennoch war der frühere Liquidator der Steuerpflichtigen berechtigt, gegen den der Steuerpflichtigen zu seinen Händen erteilten Steuerbescheid Rechtsbehelfe geltend zu machen. Denn seine Rechtsbehelfe verfolgten - angesichts der von ihm gestellten Anträge sachlichrechtlicher Art - den Zweck, die gegen die Steuerpflichtige erhobenen Ansprüche abzuwehren, zu welchem Zweck er vorab die Frage der Prozeßfähigkeit der Steuerpflichtigen klären mußte. Soweit es um die Frage der Prozeßfähigkeit der Steuerpflichtigen ging, war darum die Steuerpflichtige zur Prüfung dieser Frage als Beteiligte zum Verfahren zuzulassen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 FGO, § 56 ZPO; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 27. Aufl., Anm. 1 D zu § 56 ZPO).
Fundstellen
BStBl II 1969, 656 |
BFHE 1969, 335 |