Leitsatz (amtlich)
1. Guthabenzinsen aus Bausparverträgen und im Zusammenhang damit geleistete Schuldzinsen sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb eines Hauses stehen.
2. Die Guthabenzinsen sind in diesem Fall im Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus nicht erfaßt; die Schuldzinsen sind bis zur Höhe der Guthabenzinsen als Werbungskosten abziehbar, und zwar neben dem begrenzten Schuldzinsenabzug gemäß § 2 Abs. 2 EinfHausV, § 21 a Abs. 3 EStG.
Normenkette
EStG §§ 21a, 20 Abs. 3; EinfHausV § 1; EinfHausV § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten, nahmen 1971 bei der Hypothekenbank L ein Darlehen in Höhe von 360 000 DM auf. Sie verwandten von dieser Summe 237 550 DM für den Kauf eines Einfamilienhauses und 122 450 DM für die Auffüllung von vier Bausparverträgen bei der Bausparkasse S. Die Bausparkasse gewährte den Klägern auf diese vier Bausparverträge im Jahre 1973 vier Zwischenkredite in Höhe von insgesamt 360 000 DM zur Tilgung des Darlehens bei der Hypothekenbank. Die Kläger zahlten im Jahre 1973 an die Bausparkasse Darlehenszinsen in Höhe von 25 133 DM und erhielten in diesem Jahr auf die Bausparguthaben von der Bausparkasse 4 502,61 DM Zinsen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) behandelte die von den Klägern vereinnahmten Zinsen in Höhe von 4 502,61 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen, während sich die an die Bausparkasse entrichteten Schuldzinsen wegen der Beschränkung der Abziehbarkeit gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHausV) nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auswirkten. Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) minderte auf die Klage den zu versteuernden Einkommensbetrag um die Zinsen in Höhe von 4 502,61 DM abzüglich des bereits berücksichtigten Pauschbetrages bei den Einkünften aus Kapitalvermögen von 300 DM, also um insgesamt 4 203 DM. Das FG war der Auffassung, daß die für den Zwischenkredit an die Bausparkasse entrichteten Darlehenszinsen in Höhe der Zinsgutschriften der Bausparkasse von 4 502,61 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen seinen.
Hiergegen richtet sich die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA, mit der das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie sind der Auffassung, daß die Zinsen aus der Kreditaufnahme und den Bausparguthaben so eng miteinander verknüpft seien, daß sie nur einheitlich beurteilt werden könnten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Zu Recht rügt zwar das FA, daß die Zinsen, die die Kläger an die Bausparkasse gezahlt haben, nicht in Höhe der Zinsen, die sie von der Bausparkasse erhalten haben, Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind (§§ 20 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --). Die Vorentscheidung erweist sich jedoch aus anderen rechtlichen Überlegungen im Ergebnis als zutreffend (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
2. Die Guthabenzinsen aus den Bausparverträgen und die im Zusammenhang damit geleisteten Darlehenszinsen sind im Streitfall bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
a) Zinsen aus Darlehen führen grundsätzlich zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung), es sei denn, daß sie zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören und daher diesen Einkünften zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 3 EStG). Der Vorrang der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung vor der Einkunftsart Kapitalvermögen bewirkt, daß Einnahmen und Werbungskosten statt den Einkünften aus Kapitalvermögen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind. Die Verdrängung der Einkunftsart Kapitalvermögen durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung tritt ein, wenn ein Sachverhalt den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht; sie tritt auch ein, wenn Einnahmen oder Werbungskosten mit einer Verwirklichung des Tatbestands der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze gehören im vorliegenden Falle sowohl die Guthabenzinsen, die die Kläger von der Bausparkasse erhielten -- als Einnahmen (§ 8 EStG i. V. m. § 1 EinfHausV oder § 21 a Abs. 1 EStG) --, wie auch die Schuldzinsen, die die Kläger an die Bausparkasse zu entrichten hatten -- als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) --, zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
aa) Die Kläger haben mit der Aufnahme des Kredits bei der Hypothekenbank die Anschaffung des Einfamilienhauses finanziert. Das gilt nicht nur für den Teil des Darlehens, den sie unmittelbar zur Begleichung des Kaufpreises verwendeten, sondern auch für den Teil des Darlehens der Hypothekenbank, der dazu diente, bei der Bausparkasse eine frühere Zuteilungsreife der Bausparverträge zu bewirken.
Wie objektiv erkennbar und zwischen den Beteiligten unstreitig ist, diente die Einzahlung eines Teiles des von der Hypothekenbank empfangenen Darlehens auf die Bausparverträge der späteren Umschuldung. Das von der Hypothekenbank eingeräumte Darlehen sollte durch den Zwischenkredit von der Bausparkasse, der zu einer für die Kläger insgesamt günstigeren Belastung führte, abgelöst werden. Um die Darlehen der Bausparkasse zu erhalten, war die Kreditaufnahme bei der Hypothekenbank erforderlich; denn mit einem Teil dieser Mittel wurden die notwendigen Bausparbeiträge erbracht. Der wirtschaftliche Zweck der Aufnahme des Kredits bei der Hypothekenbank war also -- soweit das Darlehen nicht zur Tilgung des Kaufpreises für das Einfamilienhaus eingesetzt wurde -- dessen vorübergehende Bindung als Bausparguthaben, um alsbald die Bauspardarlehen zugeteilt zu bekommen.
bb) Daraus folgt, daß die Guthabenzinsen Einnahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung sind. Die Einzahlung des von der Hypothekenbank erhaltenen Zwischenkredits auf die Bausparverträge bezweckte im vorliegenden Falle -- wie bereits ausgeführt -- erkennbar die anschließende Gewährung der Bauspardarlehen durch die Bausparkasse, und es war im vorliegenden Falle zeitlich absehbar, daß die Einzahlung auf die Bausparverträge zuerst zur Gewährung des Zwischenkredits und anschließend nach Zuteilungsreife zur Gewährung des Bauspardarlehens durch die Bausparkasse führen würde.
cc) Der Senat hat im Urteil vom 6. Februar 1979 VIII R 70/76 (BFHE 127, 507, BStBl II 1979, 550) ausgeführt, die anteiligen Schuldzinsen stünden im Zusammenhang einerseits mit den Zinsgutschriften der Bausparkasse und damit den Einkünften aus Kapitalvermögen und andererseits mit der Erlangung des Bauspardarlehens und damit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Senat hat aber in diesem Urteil die Frage, ob die anteiligen Schuldzinsen in voller Höhe Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und als solche im Streitfall nicht abziehbar waren, offengelassen (siehe dort letzter Absatz); denn die Steuerfestsetzung durfte nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden.
dd) Die Berufung des FA auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Mai 1972 VI R 87/69 (BFHE 106, 64, BStBl II 1972, 732) und vom 15. Dezember 1972 VI R 227/69 (BFHE 107, 529, BStBl II 1973, 162) geht fehl. Die dort entschiedenen Fälle betreffen andere Sachverhalte und Rechtsfragen als diejenigen, die hier zu entscheiden sind.
c) Die Schuldzinsen, welche die Kläger an die Hypothekenbank, wie auch die Schuldzinsen, welche die Kläger an die Bausparkasse zu zahlen hatten, sind -- wie auch das FA einräumt -- Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 i. V. m. § 21 EStG oder § 1 EinfHausV vom 26. Januar 1937, jetzt § 21 a EStG; vgl. hierzu auch BFHE 127, 507, BStBl II 1979, 550).
3. Bei der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (§ 1 EinfHausV, jetzt § 21 a EStG) wird der Nutzungswert als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfaßt. Der Nutzungswert wird aufgrund des Einheitswertes des Grundstücks ermittelt. Als Grundbetrag für den Nutzungswert ist ein Vomhundertsatz des maßgebenden Einheitswertes des Grundstücks anzusetzen (§ 2 EinfHausV, jetzt § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Bestimmung dieses Betrages liegt der Gedanke zugrunde, der auf diese Weise pauschal errechnete Grundbetrag sei ein um die Werbungskosten geminderter Rohmietwert. Von diesem Grundbetrag können die Schuldzinsen, die mit der Nutzung des Grundstücks in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, bis zur Höhe des Grundbetrages abgezogen werden (§ 2 Abs. 2 EinfHausV, jetzt § 21 a Abs. 3 EStG). Die Schuldzinsen sind demgemäß bei der Festsetzung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus eine im Grundbetrag nicht erfaßte besondere Rechengröße.
Auch Guthabenzinsen, die mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zusammenhängen, sind bei der Festsetzung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom Grundbetrag nicht erfaßt.
Sowohl die Guthabenzinsen wie auch die Schuldzinsen sind demzufolge besondere Rechengrößen bei der Errechnung des Nutzungswertes, wobei die Schuldzinsen allerdings nur insoweit berücksichtigt werden dürfen, als sie nicht die Höhe des Grundbetrages übersteigen. Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs (§ 2 Abs. 2 EinfHausV, jetzt § 21 a Abs. 3 EStG) gilt aber insoweit nicht, als neben dem Nutzungswert Einnahmen anfallen, die nicht durch den Nutzungswert erfaßt sind.
4. Die Kläger haben die Zurückweisung der Revision beantragt. Dem Senat ist es verwehrt, über den Antrag hinauszugehen und die Einkommensteuer insoweit herabzusetzen, als sie auf die Differenz zwischen Bausparguthabenzinsen von 4 502,61 DM und dem vom FG berücksichtigten Betrag von 4 202,61 DM (Abzug des Pauschbetrages für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen) entfällt (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1983, 172 |
BFHE 1982, 300 |
ZIP 1983, 359 |